Wieso TikTok nicht so wichtig ist wie wir alle glauben
Von Roger Hämmerli, April 30, 2024
Von Roger Hämmerli, April 30, 2024
TikTok ist gegenwärtig in aller Munde und wahrscheinlich eine der beliebtesten und gleichzeitig am stärksten kritisierten Social-Media-Plattformen, die es aktuell gibt. Ich meine: In der Makro-Perspektive ist das alles gar nicht so wichtig.
Was kann man noch über eine Plattform sagen, über die schon alles gesagt und geschrieben worden ist? TikTok ist eine Social-Media-Plattform, die den feuchten Wachstumsträumen vieler Tech-Gründer entspringt – mit mehr als einer Milliarde aktiven User:innen. 2024 wird höchstwahrscheinlich die zwei Milliarden-Marke geknackt. Eine App, zu der es so viele Meinungen gibt, wie falsch aufgegriffene TikTok-Trends von Brands. Ich könnte die Zeilen nutzen, um dir den nächsten aufwändig recherchierten Artikel zu TikTok zu liefern, der dir erklärt, wieso es so erfolgreich ist – aber weisst du was? Mache ich nicht. Ganz im Gegenteil.
Ich möchte dir erklären, wieso es nicht wichtig ist, ob TikTok die erfolgreichste Social Media Plattform aller Zeiten oder morgen in Dutzenden Ländern gesperrt wird. TikTok ist nämlich nicht der wahre Held der Geschichte und Entwicklung der Social-Welt in den letzten Monaten.
Wer ist also der wahre Held? Es ist aus meiner Sicht ein Format, welches sich langsam vom Geheimtipp zum Must-have gemausert hat: 9:16 Bewegtbild.
Hochformat-Videos treiben traditionellen Video-Macher:innen die Schweissperlen auf die Stirn. “Was?! Du meinst 16:9 als Format, oder?” – wird mit zittriger Stimme nachgefragt, wenn das neue böse Format in einem Briefing erwähnt wird. Nein. Vertical-Videos, 9:16, Hochformat-Videos – egal wie man sie nennt. Sie werden zum neuen Gold-Standard, wenn es um Bewegtbild-Inhalte geht. Social-Media-Plattformen wie Instagram, Snapchat und auch TikTok haben den Weg zum Content-Olymp für das Format geebnet.
Schuld an der Entwicklung sind wie immer: Wir. Ganz alleine. Inhalte werden in unserem Alltag immer öfter und länger auf Smartphones konsumiert. Hinzu kommt, dass die meisten User:innen mehrere Apps parallel nutzen und unkompliziert zwischen den Apps hin- und her wechseln möchten. Es werden also mehr Apps häufiger geöffnet, aber weniger lange offen gehalten in einer Sitzung. Zu schnell wechselt auch das Bedürfnis, welches die User:innen stillen möchten. News checken. Sich unterhalten lassen. Sport-Ergebnisse checken. Neuestes TikTok-Rezept sichern. Alles zur selben Zeit.
Die Folge ist, dass alle Apps mit derselben Haptik genutzt werden wollen. Und das ist auch der Grund, wieso man kaum noch Personen sieht, die ein Smartphone horizontal halten, um einen Inhalt zu konsumieren. Dazu bringen uns eigentlich nur noch Plattformen wie YouTube oder Netflix – oder hast du schon einmal für ein Facebook-Video dein Smartphone horizontal gehalten? Dachte ich es mir.
Eine andere Komponente, welche das 9:16 Format so erfolgreich macht, ist die Form der meisten Smartphones. Nimm dein Smartphone und frage dich einmal: Wie viel “Screen” füllt eigentlich ein 9:16 Format aus? Die Antwort: Richtig. Je nach Social Plattform den ganzen Screen. Und das ist der Punkt. Es gibt aktuell kein anderes Format, welches unseren Smartphone-Screen und dessen Eigenschaften optimaler ausnutzt. 100% Content. Keine Ablenkungen. Keine anderen Inhalte, die stören könnten. Nur ein Inhalt, dem ich meine ganze Aufmerksamkeit schenken kann. Jackpot.
Jetzt könnte man schnell zur Schlussfolgerung kommen, dass ab jetzt der ganze Fokus auf TikTok liegen muss. Aber eigentlich geht es nicht um die Plattform. Es geht darum, dass wir das Format 9:16 erlernen und die Kunst verfeinern. Wie muss ein Video oder ein Inhalt in diesem Format wirken? Wie wird das Bewegtbild editiert und aufbereitet, damit es die beste Wirkung erzielt? Wie aktivieren wir User:innen, die das Format konsumieren? Das sind die Fragen, die uns im Content Marketing beschäftigen sollten – und darum ist es absolut egal, ob du die Kunst für TikTok, YouTube Shorts oder Instagram Reels erlernst. Du solltest das Format erlernen, weil es für die kommenden Jahre das Non plus ultra sein wird, wenn es um Content Formate geht. Kein anderes Format kann so divers und vielfältig eingesetzt werden.
Dafür sind Plattformen wie TikTok oder auch YouTube Shorts hervorragend geeignet. Du kannst ausprobieren und testen.
Bei den Content-Massen, die wir täglich konsumieren, erinnert sich wohl kaum jemand an ein Content Piece, welches nicht ganz so gut performt hat.
Randbemerkung: Nicht gut performen heisst nicht, dass du Shitstorms aus der Social-Hölle lostreten solltest. Experimentieren heisst nicht, kopflos Content zu posten. Es heisst schlicht, dass du nicht jeden Post durch vier Review-Schleifen und drei Art Directors laufen lässt, bevor du ihn ausspielst. Das Ziel deiner Bestrebungen sollte – um es nochmals ganz klar hervorzuheben – sein, dass du das Handwerk des Hochformat-Inhalts meisterst und beherrschst. Denn solange wir nicht eine technische Revolution haben oder Klapp-Smartphones doch noch durchstarten – was ich nicht hoffe, weil WTF? – bleibt das Format 9:16 das optimale 360°-Paket.
Und genau deswegen ist TikTok gar nicht so wichtig, wie wir alle glauben.
Roger Hämmerli
Roger Hämmerli (32) hat mit Andy Was Right 2019 eine der heute führenden Content-Agenturen der Schweiz gegründet. Davor war er bei Ringier Head Social und lebt seit mehr als 10 Jahren von und auf Social Media. An der HWZ doziert Roger im CAS Social Media & Content Marketing.
My World
Unser Newsletter liefert dir brandaktuelle News, Insights aus unseren Studiengängen, inspirierende Tech- & Business-Events und spannende Job- und Projektausschreibungen, die die digitale Welt bewegen.