Vertrauen ist auch künftig DAS Schmiermittel
November 15, 2018
Aus dem Unterricht des CAS Disruptive Technologies mit Daniel Glinz berichtet Thomas Keiser:
Vertrauen ist seit Urzeiten DAS Schmiermittel jeglicher Beziehungen. Auch im digitalen Zeitalter spielt die Redlichkeit der Menschen für Beziehungen zwischen Anbieter und Kunde eine wichtige Funktion.
Daniel Glinz gibt im zweiten Teil von “CUSTOMER DATA ADVOCAY” ein gutes Tempo vor. Nach einem kurzen Rückblick auf den Part I führt er zügig und versiert durch die breit gefächerten Themen.
Ein kurzer Rückblick auf den Part I:
Der Unterricht führt anschliessend zu “The impact of cognitive biases and human rationality”. Es gibt laut Daniel Glinz zirka 360 psychologische Biases (kognitive Verzerrungen), im Unterricht wurden vier davon besprochen.
Um die Biases besser zu verstehen, werden folgend einige Beispiele aufgeführt:
Ein Kunde erwägt, drei verschiedene Autos zu kaufen, aber er streicht eines von der Liste, weil er keine Informationen über die Garantie des Autos auf der Website des Herstellers finden kann.
Die meisten Leute würden mehr zahlen, um die einzige Kugel in der Waffe in einem Spiel des russischen Rouletts zu entfernen, als wenn sie eine von vier Kugeln entfernen könnten.
Auf einem Markt werden beim Ausverkauf die offiziellen Preise gestrichen und die neuen Preise hingeschrieben. Die Kunden sehen auf einen Blick ihren Vorteil.
Das können die Marketer sehr gut: etwas schöner beschreiben, als es tatsächlich ist. Beispielsweise: Das Glas ist halb voll, statt das Glas ist halb leer.
Hat man etwas in Besitz, so gibt man es nicht mehr gerne her. Beispielsweise eine Trial Version (Probeversion).
Zu beachten: jedes Bias bietet Ansatzpunkte um Menschen “über den Tisch zu ziehen”. Der Mensch verhält sich eben nicht rational.
Weitere Beispiele von kognitiver Verzerrungen gibt’s hier.
Nudges schlagen positive Verstärkungen und indirekte Vorschläge vor, wie man das Verhalten und die Entscheidungsfindung von Gruppen oder Einzelpersonen beeinflussen kann.
“Jeder Aspekt der Wahlarchitektur, der das Verhalten der Menschen auf vorhersehbare Weise verändert, ohne irgendwelche Optionen zu verbieten oder ihre wirtschaftlichen Anreize erheblich zu ändern.”
Ein einfaches und einleuchtendes Beispiel ist der “Fliegenkleber” im Urinal. Dieser wirkt sich auf das Verhalten aus, indem beim Pinkeln gezielt auf die Fliege uriniert wird. Dabei wird weder etwas verboten noch einen “wirtschaftlichen Anreiz” gegeben: Kleiner Kleber mit grosser Wirkung.
Auch hier keine Theorie, sondern Beispiele:
Früher zeigte die Taxcard von Swisscom (ehemals PTT) an, wieviel Guthaben auf der Karte fürs Telefonieren ist.
Gewisse Services zeigen nicht auf, was sie genau bieten. Beispielsweise 1 GB superschnelles Internet => 90% der Leute wissen nicht, wie schnell das ist. Fazit: Services sind teilweise intransparent. Es geht beim Mapping darum, den Service einfacher zu machen.
Kunde will nicht alles wählen, aber gewisse Dinge will er selber definieren. Im Sinne von “from opt-in to opt-out”. Also vom ausdrücklichen Zustimmungsverfahren zum nicht aktiven Widerspruch.
Im Strassenverkehr beeinflussen Smileys die Geschwindigkeit der Fahrzeuglenker.
Früher gaben die Bancomaten das Geld vor der Karte aus. Das führte dazu, dass die Benutzer teilweise die Karten vergassen. Der Prozess wurde geändert, heute muss zuerst die Karte entnommen werden, dann folgt das Geld.
Neben den Nudges und der Good-Choise-Architektur wurde aufgezeigt, wie Verhaltensinterventionen das Verhalten auf zwei Arten beeinflussen können:
Rationale override stören die sinnlosen automatischen Interaktionen der Benutzer und führen zu bewussten individuellen Entscheidungen.
Nudging Interventionen führen zu unbewussten, automatischen Denkweisen und führen die Kunden zu einem einzigen vorhersagbaren Ergebnis.
Wie Kunden sensibilisiert und zu einem bewussten Entscheid geführt werden, zeigt das Beispiel von Uber: An Silvester bezahlen Kunden von Uber das 2.5-fache des normalen Preises. Die Gäste müssen diesen Faktor auf der App bestätigen.
Die vier untenstehenden Faktoren aus dem digitalen Ökosystem zeigen auf, wie sie interagieren und einen Mehrwert schaffen können.
Durch Vertrauen wird der Zugang zu Daten ermöglicht, die genutzt werden und durch Algorithmen einen Mehrwert für die Unternehmung und schlussendlich für den Kunden generieren. Der Mehrwert kann nur erreicht werden, wenn der Service für die Kundschaft einwandfrei ist. Dies schafft beispielsweise Apple sehr gut.
In der Sozialökonomie und Neuroökonomie wurde das Vertrauens in der Vergangenheit eingehend untersucht. Daniel Glinz stellt zwei Modelle zur Vertrauensbildung vor: das McKnight Trust Model und das Iceberg Trust Model. Beiden ist gemeinsam, dass vielfach Entscheidungen vom unbewussten Verhalten gesteuert wird. Konsequenz daraus sind oft irrationale Entscheide.
Wichtig für die Vertrauensbildung ist die Reziprozität: Gegenseitigkeit => ich gebe / ich bekomme.
Aus dem Vertrauen heraus folgen die Entscheidungen. Und diese fallen – wie bereits erwähnt – nicht immer logisch aus. Die Gründe liegen im “Wettbewerb” zweier neuronalen Systemen: das kognitive System mit Vernunft und Logik steht im “Wettbewerb” zu limbischen System mit Emotionen und Instinkten. Die kognitive Verzerrung spielt den Menschen einen Streich.
Um das “digitale” Vertrauen als wichtiges Unterscheidungsmerkmal zu nutzen, müssen Unternehmen folgende drei Fähigkeiten aufbauen:
Vertrauen ist das Schmiermittel jeglicher Beziehungen. Die Pflege dafür wird wichtiger, denn Kunden sind sehr sensibel gegenüber Sammeln von Daten sowie teilweise kritisch gegenüber dem Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI). Wie bereits am Anfang des Blog erwähnt, werden die Kunden lernen müssen, dieser neuen Form von Intelligenz zu vertrauen. Es ist daher essentiell, dass die Unternehmen aufgrund des Einsatzes von KI sowie von Kundendaten den Service laufend verbessern. Sind die Kunden mit dem Service und Support sehr zufrieden, wird sich die Akzeptanz für KI und für Kundendatensammlungen vergrössern.
Der Dieselskandal konnte dem Vertrauen in VW nichts anhaben.
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