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Trau mir! Ich bin ein Influencer…

Dezember 24, 2018

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Aus dem Unterricht des CAS Social Media Management mit Philipp Martin zum Thema «Influencer Marketing» berichtet Koni Nordmann.


90% aller Konsumenten vertrauen Empfehlungen – aber nur 30% vertrauen der klassischen Werbung.
Quelle: Nielsen Social Media Report (2016)


Tipps und Empfehlungen von Freunden, Bekannten und Verwandten beeinflussen uns und haben uns schon immer beeinflusst – denn diesen Menschen vertrauen wir. Was sie uns empfehlen, hat Gewicht. Tatsache aber ist, dass all diese Leute nur über eine beschränkte Reichweite verfügen, ihr persönliches Umfeld ist limitiert. Dank Social Media kann neu jede Privatperson ihren Wirkungskreis unendlich ausweiten – die Influencer*innen sind geboren, die halb-echten Freunde ausgeben, die neben persönlichen Meinungen auch gesponserte Inhalte verbreiten. Willkommen in der neuen Welt des Scheins.


1. Video-Ausschnitt aus der SRF-DOK:
«Die Social Media Influencer» von Christian Rösch


Lindt & Sprüngli vs. Roger Federer

Persönlichkeiten, die wir kennen oder die Experten sind, deren Empfehlungen vertrauen wir auch. Wenn sich Roger Federer für Lindt & Sprüngli in Szene setzt, schafft für die Marke Vertrauen. Da er prominent ist, verfügt er über eine enorme Reichweite – und doch ist allen, die ihn toll finden klar, dass hinter seiner positiven Aussage für Lindt & Sprüngli ein Deal steht. Deshalb ist sein Einfluss auf das Unternehmen auch nicht riesig – «Lindt_Switerland» hat auf Instagram knapp 11′000 Followers. Derweil Roger Federer selber über 5,5 Millionen Followers hat.

Vor zwanzig Jahren hatte jede Privatperson so wie heute ihre eigene Meinung, doch konnte sie diese nicht «unter die Leute bringen». Selber zu publizieren und eigene Inhalte zu vertreiben – das war nur über klassische Medien möglich. Auch Unternehmen waren von Medien mit Reichweite abhängig und verbreiteten ihre Inhalte dort – bezahlt als Werbung oder unbezahlt, wenn über sie geschrieben wurde. Dank der Digitalisierung und Social Media nun, kann jede Person selber zu einem «Medium» werden. Ein Paradigmenwechsel hat stattgefunden, der Konsument ist zum Publizist geworden.

Girls werden zu Stars

Die 23-jährige Münchnerin Francesca Lesch zum Beispiel ist eine dieser Privatpersonen, die ein «Medium» geworden ist. Aktuell folgen ihr über 80′000 Abonnenten auf Instagram, wo sie unter dem Kunstnamen «franelle» aktiv ist. Sie erreicht pro Post oft über 3000 Interaktionen, produziert und posted täglich hochwertige Inhalte – deklarieren tut sie diese nur dem kleinen Stichwort «Anzeige». Somit gibt sie ihre offensichtliche Verbindung zu diversen Marken und Unternehmen preis. Influencer wie Franelle richten sich vor allem an 18- bis 24-Jährige, die sich schon längst von den klassischen Medien entfernt haben. Und auch wenn sie klassische Online-Medien wie «20 Minuten» konsumieren würden, würden sie die Werbung nicht anschauen, denn sie hätten wohl den AdBlocker installiert, der verhindert, dass sie durch nervige Werbung gestört werden.


Definition und Wirkung des Influencer – schön und übersichtlich definiert vom Dozenten Philipp Martin, Reachbird und der Universität St. Gallen.

Eine Influencer*in produziert Inhalte die ganz viele Menschen interessieren. Er oder sie hat das perfekte Gespür für Trends – und hat natürlich auch eine hohe Bereitschaft mit Marken zu arbeiten. Als Absender*in ist er oder sie seriös und verfügt über eine hohe Glaubwürdigkeit, die Posts bestechen durch eine hohe erzählerische und visuelle Qualität.


Eine Influencerin wie etwa die deutsche ebenfalls 23-jährige Caro Daur hat aktuell auf Instagram über 1,7 Millionen Follower. Sie lebt in New York, ist jung, schön und sexy wie ein Fotomodell. Sie zeigt Fashion und Beauty in den tollsten Locations der ganzen Welt. Ihr Lifestyle, der vor allem gleichaltrige Frauen – und wohl auch ältere Männer anzieht – steht bei all ihren Posts im Zentrum. Sie wird zu Identifikationsfigur und wurde vom Fachmagazin «Werben und Verkaufen» für das Jahr 2018 als eine der wichtigsten «100 Menschen aus Marketing, Werbung und Medien» bezeichnet. Ein Brand wie «carodaur» ist nun aber auch Offline zu finden. Bilder von Ihr publiziert auch das deutsche People-Magazin BUNTE.


2. Video-Ausschnitt aus der SRF-DOK:
«Die Social Media Influencer» von Christian Rösch


Die Nischen-Player kommen

Personen wie die Influencerin Caro Daur sind jedoch nicht nur Models und versteckte Markenbotschafterin. Sie sind auch sehr kreative Content-Producerinnen, die täglich visuell herausragende Inhalte produzieren. Ihre eigene Attraktivität ist dabei zwar zentral, aber sie müssen vor allem über eine grosse Glaubwürdigkeit verfügen. Street-Credibility ist die neue Währung: Vertrauen schaffen und «Expertise» vermitteln.

«Expertise» ist das grosse Thema und auch die Chance für Nischen-Influencer oder sogenannte Mikro-Influencer. Ein aktiver Athlet zum Beispiel, ist zweifelsfrei Experte und geniesst damit hohes «Vertrauen». So muss er nicht zwingend sexy oder perfekt inszeniert, er ist per se vertrauenswürdig. Somit kann ein Influencer auch nur mit 1000 Follower für ein Nischenprodukt eines Unternehmens interessant sein.

50′000 Follower sind das Maximum

Erhebungen von reachbird auf Instagram zeigen, dass die «Engagement-Rate» ab einer Menge von über 50′000 Followern wieder sinkt. Deshalb arbeitet der französische Konsumgüterkonzern «L′Oréal» zum Beispiel gleich mit mehreren Dutzend Friseur*innen anstelle nur mit «einem grossen Namen». Diese Tatsache beweist auch, dass nicht nur Quoten-Stars Zukunft als Influencer*in haben. Viele Leute probieren sich in dieser Kunst – aktuell sind über die Plattform reachbird satte 25′000 Influencer*innen zu finden. Und für Firmen zu buchen.

Das kleine Einzugsgebiet der Schweiz mit seinen drei Sprachregionen ist ein perfektes Umfeld für Mikro-Influencer*innen. Denn Unternehmen müssen die Menschen in ihrer Region erreichen – und nicht irgendwo auf der ganzen Welt. So erreichen Mikro-Influencer*innen, die auf Schweizerdeutschen, Mundart, posten beinahe 100% Follower ihres klar begrenzten Gebietes.


3. Video-Ausschnitt aus der SRF-DOK:
«Die Social Media Influencer» von Christian Rösch


Der Markt professionalisiert sich

Die Pionier-Phase ist vorbei, in den vergangenen drei Jahren hat eine Professionalisierung stattgefunden. Influencer*innen und Unternehmen finden sich neu auf virtuellen Plattformen, professionelle und moderierte Matches entstehen. Diesen Foren sind Suche- und Analyse-Tools hinterlegt, was vereinfacht, dass sich die passenden Partner finden. Neu sind sogar kostenpflichtige «Suites-Lösungen» entwickelt worden, um diese junge Marketing-Massnahme noch stärker zu professionalisieren. Wer neu also mit Influencer*innen zusammenarbeitet, dem wird nahegelegt, einen stetigen und engen Kontakt und Austausch pflegen. Denn dieser Dialog steigert den Erfolg für alle Beteiligten. Auf der folgenden Website ist die kostenfreie Übersicht der interessantesten Schweizer Influencer*innen: https://influencer-check.ch

Beiträge als Werbung gekennzeichnet

Die Pionier-Phase ist auch in Sache «Rechtssprechung» vorbei. Neu muss jeder «Werbe-Post» zwingend mit dem Stichwort «Anzeige» oder «Werbung» beginnen. Und zwar in der Sprache des Zielpublikums. Missachtung dessen wird strafrechtlich verfolgt, so droht aktuell gerade der deutschen Drogerie-Kette Rossmann eine Ordnungsbusse von bis zu 250′000 Euro wegen «Schleichwerbung durch einen Influencer». Diese strenge Umsetzung des Gesetzes ist in der Schweiz noch nicht Praxis, doch wird es wohl auch bald bei uns zwingend sein, jeden Post dreisprachig als «Anzeige», «Afficher», «Pubblicità» zu deklarieren. Was natürlich etwas unsexy wäre, aber selbst für Superstars wie Roger Federer geltend würde.

Strategie ist Pflicht

Ohne eine bewusste Einbettung in die allgemeine Marketing- und Werbe-Strategie werden den Influencer*innen einen kaum messbaren Erfolg zugesprochen. Es gilt, wie in der klassischen Strategie, vorab eine Zielgruppe klar zu definieren. Den Fokus zu legen und alle Aktivitäten entsprechend zu steuern. Bis heute bestand das «Influencer-Marketing» beinahe immer aus dem «SENDEN». Dank den sich rasant entwickelnden Monitoring- und Dialog-Optionen, verschieben sich die Aktivitäten jedoch immer stärker zum «ZUHÖREN». So bewegt sich die Kommunikation weg von Einzelkampagnen hin zu einem umfassenden Stakeholder-Management. Neu müssen die Ziele auch langfristiger definiert werden und unter Einbezug verschiedenster Stakeholdern. So können künftig auch eigene Mitarbeitende zu Influencer*innen werden – was bedeutet, dass Inhouse viel Kompetenz entwickelt und aufgebaut werden.

Boss wird Influencer

Ein Beispiel für einen firmeninternen Influencer ist der neue CEO von Siemens. Er ist selber stark präsent auf LinkedIn und Twitter und wird dadurch zum Vorbild für die 377′000 Mitarbeitenden des internationalen Konzerns. Er lebt seinen unverkrampften Umgang mit Social Media vor, stellt sich der Herausforderung der neuen technischen Möglichkeiten und etabliert damit eine neue Art von Top-Down-Kultur. Bei aller Kommunikationsfreudigkeit jedoch gilt: Kritik am eigenen Unternehmen wird nie auf Facebook und anderen öffentlichen Kanälen hinterlassen sondern immer nur im Intranet! Und dort, auch das ein Ziel der kommunikativen Transparenz, soll es gut und fair abgeholt und behandelt werden.

Key-Learnings

  • Influencer*innen bilden eine neue Stakeholder-Kategorie
  • Influencer*innen vermitteln Vertrauen und ermöglichen Reichweite
  • Die Pionier-Phase ist vorbei: Influencer*innen bewegen sich immer mehr innerhalb rechtlichen und professionalisierten Rahmen

Unser Dozent Philipp Martin (28)

Co-Founder & CEO bei reachbird.io. Eine 2016 gegründete Influencer-Plattform. Martin ist für Investor Relations, Partnerschaften und Finanzen zuständig. Das Startup baut Influencer-Marketing-Software und betreibt sie auch. Die Firma hat 20 Mitarbeitende in München, Liechtenstein und Zürich. Betreut werden Kunden wie «Coca Cola» & «Lindt & Sprüngli» – aber auch viele KMU′s.

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