Aus dem Unterricht des CAS Digital Real Estate mit Balz Halter und Martin Ehrat zum Thema „Smarte Gebäude – Smarte Nutzer“ berichtet Daniela Corboz.
(Vielleicht auch, weil der Kühlschrank weiss, dass die Lieblingsmannschaft des Eigentümers spielt und dieser am Abend gerne Bier trinkt.) – „It’s all about Software and Services“.
Kleine Einordnung.
„Die Verbreitung des elektrischen Lichtes war ein wichtiges Element des gesellschaftlichen Transformationsprozesses des 19. Jahrhunderts“. (Quelle: B.Binder).
Wir befinden uns tief im nächsten Transformationsprozess in die digitale Welt – mit wahrscheinlich noch weitreichenderen Veränderungen als bei der Umstellung zum elektrischen Licht: Es geht um die digitale Vernetzung innerhalb Gebäuden – sogenannte “Smart Buildings”.
Es wird technisch. Wie könnte man denn alles vernetzen?
Welche Tools gibt es, im diese Vernetzung möglich zu machen? Für diejenigen, die nicht technisch hochbegabt sind, hier eine kurze Erklärung zum möglichen Tool Digitalstrom (ds) Powerline. Was ist das eigentlich?
DS Powerline.
Sie sehen aus wie Lüsterklemmen, sind aber Mikrocomputer. Sie sind Schalter, Dimmer, Motorsteuerung, Rechner, Datenspeicher und Netzwerkadapter in einem. Digitalstrom vernetzt alle elektrischen Geräte, Leuchten und Tasten im Haus über die bestehenden Stromleitungen unsichtbar zu einem intelligenten Miteinander. Jedes elektrische Gerät bekommt eine clevere Klemme. Jede Klemme speichert ihre eigenen Einstellungen und ruft konfigurierte Szenen ab. Gesteuert wird dann alles per Lichtschalter, Smartphone oder Tablet.
Quelle: www.digitalstrom.com – auch zum Weiterlesen und informieren.
Smarte Anwendungen.
Smarte Anwendungen gibt es bereits viele – seien es Musik, Klima- und Heizanlagen oder Storen. Nur vernetzt sind sie oftmals (noch) nicht – wie zum Beispiel Sonos: Sonos ist ein Multiroom Soundsystem, aber werksseitig noch eine Insellösung, die eine eigene APP erfordert und nicht mit dem smarten Haus verbunden ist. Man könnte nun die Steuerung direkt in das Vernetzungsnetz integrieren – via Ansteuerung von Sonos Lautsprechen mit Digitalstrom.
Was gibt es denn noch für Möglichkeiten? Einige Beispiele:
- Beleuchtungen und Lichtszenen:
- Geht der Fernseher an, wird das Licht gedimmt und die Jalousien fahren herunter.
- Ist das Wasser im Wasserkocher heiss, flackert die Wandlampe kurz auf
- Ein Tastendruck, um die gesamte Beleuchtung beim Verlassen der Wohnung auszuschalten und die Verbraucher vom Stromnetz zu trennen.
- Alarmmelder durch angeschlossenen Präsensmelder
- Zufallsschaltung bei Abwesenheit
- Mobiler Panikschalter
- Aufspüren von Energiefressern.
- Anschluss von Schaltkontakten anderer Sensoren – bsp Rauchmeldern. Dann könnte bei starker Rauchentwicklung zusätzlich zum Notruf alle Lichtquellen angeschaltet und Beschattungswege aufgehoben werden um einen optimalen Fluchtweg zu ermöglichen.
Quelle: www.digitalstrom.com
Und wie geht das weiter? Zum Thema künstliche Intelligenz:
Die Geräte vernetzen sich. Und werden dank künstlicher Intelligenz (Artificial Intelligence (AI)) immer intelligenter. Beispielsweise könnten hier Anwendungen wie folgt aussehen:
- Digitalstrombot (ein Digitalstrombot ist eine Art „device bot“, die vernetzte Geräte mit einer Intelligenz ausstatten und sie so in die Lage versetzen, sich eigenständig situationsspezifisch zu Verhalten) in der Cloud. Dieser kann z.B. auf Wasserkocher zugreifen. In dem Moment, an dem ich dieses Gerät vernetzt habe, entstehen neue Möglichkeiten:
- Der Bot erkennt beispielsweise eine veränderte Wasserqualität –und kann gerade checken, ob hier etwas problematisch ist und es Hilfe /Reparaturen benötigt.
- Der Bot registriert hohen Wasserverbrauch und könnte auf die verschiedenen Systeme zugreifen: Bsp. Sensoren. Und dann die Frage stellen: Ist jemand zu Hause? Gibt es ein Wasserproblem?
- Sonstige Anwendungsbeispiele:
- Der Bot könnte sich Menüs aus dem Internet herunterladen, um beim Ablauf / Shoppen zu unterstützen.
- Kommende Gewitter werden erkannt und Rolladen automatisch hochgefahren.
Cloud.
Wichtig ist laut Balz Halter die Verknüpfung mit der Cloud, um Updates durchzuführen. Ebenso sind Cloud–to–Cloud Vernetzungen möglich. (Beispiel Alexa: In der digitalstrom Cloud und in der Amazon Cloud).
Lokale und Cloud Plattformen.
- Anspruch: Plattformen müssen offen sein.
- Installationen müssen „verbindbar“ sein.
- Orchestrierung der Geräte sollte automatisch passieren.
Quelle: Halter
Fragen:
-
Was ist eigentlich mit Daten und Datenschutz, wenn ich als Mieter in eine solch vernetzte Wohnung einziehe?
Laut Balz Halter kommen Services von Aussen über das Internet. Das heisst, der Mieter muss sich dafür entscheiden – und sich in der Cloud registrieren. Mit dieser Registration in die Cloud akzeptiert der Mieter gewisse Geschäftsbedingungen – in dem er diese Services abonniert, damit bestimmte Funktionen ausgeführt werden können. Dies muss beim Mieter ein bewusster Prozess sein und er muss wissen, welche Daten verwendet werden. Es bedarf der aktiven Zustimmung des Mieters zur Nutzung.
-
On- / Offline Funktionalität.
- Es muss sichergestellt werden, dass die Standardfunktionen auch offline funktionieren (Heizung, Storen, etc.). Die Standard Infrastruktur muss offline jederzeit verfügbar sein.
- Prozesse: Es reicht nicht nur, alles in der Cloud anzubieten, einige müssen auf offline funktionieren und verfügbar sein – Beispielsweise ein Brandmeldeprozess.
-
Was könnte eigentlich alles vernetzt werden?
Quelle: Halter
Quelle: Halter
Welches sind mögliche Value Propositions und Anforderungen für 1. Investoren, 2. Facility Management (FM) und 3. Mieter in Bezug auf vernetzte Wohnungen?
1. Mögliche Value Proposition und Anforderungen für Investoren.
- Flexibilität / Neunutzung / Umnutzung.
- Einfacher Planungsprozess.
- Mehrwert für Mieter.
- Differenzierung des Objektes.
- Zielgruppenorientiert.
- Nicht nur durch Lage und Qualität der Wohnung, sondern auch durch Services differenzieren.
- Besser schneller und teurer vermieten.
In Bezug auf Kosten:
- Erstellungskosten, Potential für Betriebskostensenkung, Potential für Einsparung von Versicherungsprämien.
Sonstiges.
- Positives Image / First Movers.
- Mietertreue – Wohnung auf Mieterbedürfnisse zuschneiden.
- Verbesserung durch Auswertung der Nutzerdaten.
- Möglichkeit für Zusatzleistungen: verschiedene Pakete:
- Paket 0 / Paket Basis / Zusatzpaket / Familienpaket
- Qualität der Wohnung je nach Nutzung differenzieren
2. Mögliche Value Proposition und Anforderungen für FM.
- Messen und Auswerten:
- Funktionalität technische Anwendungen (bsp. Heizung).
- Probleme an FM Manager weiterleiten.
- Intelligente Sensoren: Reinigung besser planen (Bsp. Treppenhausnutzung / Reinigung, Entsorgung).
- Liftnutzung.
- Wasser Strom etc.
- Geräte – aus dem FM direkt in den Servicebereich des Gerätes oder Serviceherstellers weitergeben.
- Feedbackmöglichkeiten an den Kunden.
- Bürobereich
- Auslastung, Verschiedene Workmodelle, Abgleich Optimierung.
- BIM
- Anlagen nachrüsten mit digitalen Inhalten.
- Digital Twin.
- Physische Welt im digitalen Modell abbilden.
- Daten hinterlegen mit Hersteller / Garantien.
- Prozesse abbilden.
- Beispiel Service
- Rolladensteuerung übersteuern, wenn gereinigt wird.
Quelle: Halter
3. Mögliche Value Proposition und Anforderungen – Mieter.
„Wir machen Dein Leben einfacher, sicherer und gesünder – in einem Wohlfühlumfeld – auf Dich persönlich zugeschnitten. Das ganze Paket – Energie und Kostenoptimiert.“
- Transparenz; Benchmarks (Im Vergleich mit Nachbarn und Gebäude)
- Komfort / Bequemlichkeit, Raumklima, Sicherheit (Anwesenheitssimulation), Kosten (Energieeinsparrungen 2000 Watt Gesellschaft etc), Zugangsreglementierung
- „Servicability“ (Rascher Zugang zu Servicedienstleistungen) – Auch Reparaturen, Zugang zu Handwerkern etc.
- Barrierefreiheit
- Customizing (Wasser, Höhen, Licht, Musik,
- Status
- Gesundheit, (Lifestyle, Fitness, Schlafen)
- Digital Fit
- Möglichkeiten eines Bonus Malus Systems – (Beispiel Migros Gebäude – nutzt Du wenig Energie, bekommst du Cumulus Punkte)
- Zielgruppengerecht: Auf was sprechen Frauen mehr an / auf was Kinder oder Männer?
Digitale Geschäftsmodelle im Immobilienbereich am Beispiel von „streamnow“.
Am Beispiel von streamnow präsentierte Martin Ehrat, Business Development Manager bei streamnow ein mögliches Modell.
streamnow
Die Plattform streamnow bündelt mit dem intelligenten Wohnen verbundene Dienstleistungen und stellt sie den teilnehmenden Benutzern über ein digitales Portal zur Verfügung. Dieses kann über gängige mobile Geräte, klassisches Internet oder TV-Geräten jederzeit von überall bequem erreicht werden.
Quelle: streamnow
Digitale Potentiale
Quelle streamnow
Die App unterstützt und bietet Lösungen bei
- Vermarktung.
- Störungsmeldungen.
- Wohnservices (bsp. Waschservice, Wohnungsreinigung, Troubleshooter, Gemüselieferung).
- Sharing Economy.
Weiteres
- Spezielles TV / Internetangebot (Glasfaser) für die jeweilige Überbauung.
- Flexibel anpassbar für verschiedene Zielgruppen.
- Interaktion über Sprachassistenten in der Wohnung.
- Künstliche Intelligenz (Chatbot).
Eckpfeiler des Geschäftsmodells sind:
Quelle: streamnow
Kritische Faktoren im Technologie Management.
Untenstehend einige Punkte, welche man bei der Entwicklung immer wieder hinterfragen sollte:
- Selber bauen oder kaufen? Meistens besser kaufen. Eigenentwicklungen sind sehr teuer.
- On Premise vs Cloud: Meistens überwiegen die Cloud Vorteile, in gewissen Bereichen bezüglich Datenschutz aber oft nicht möglich.
- Open platform / closed system / Interfaces: Die Zukunft geht in Richtung Open Platform – sonst ist es schwierig, Services zu integrieren.
- Projects or Pilots: Pilots first.
- Fail cheap and fast: Günstig einkaufen / Testen / abschiessen bei Nicht Funktionalität
- Strategy and Culture: Der Schlüssel zu Allem.
- Transformation: Altes Business nicht gefährden, Neues zulassen
- Nicht überladen: Besser mit wenigen Funktionalitäten starten und nachträglich hinzufügen, als alles auf einmal zu möchten und starten zu können. (Gutes Beispiel hierfür ist What’s APP:
- Erst SMS, dann Fotos & Videos, später Sprachnachrichten, etc.
Fazit:
Digitale Kompetenz, technisches Know-How….aber vor allem auch:
- Machen.
- Mehrwert für verschiedene Stakeholder schaffen
- Lernen mit Unsicherheit umzugehen
- Geschwindigkeit und Iteration.
Gerne möchte ich Euch noch folgendes Interview ans Herz legen.
Interview mit Christoph Keese Unternehmer – Executive Vice President der Axel Springer Verlage. Es wurde zum EU Digitalgipfel aufgezeichnet und zeigt gut den Unterschied in den verschiedenen Vorgehensweisen an die Digitalisierung zwischen Europa (am Beispiel von Deutschland) und des Silicon Valleys auf.
http://www.deutschlandfunk.de/eu-digitalgipfel-digitalisierung-ist-das-heisseste.694.de.html?dram:article_id=39707
Der smarte Kühlschrank aus Kindersicht…
Quelle: Raphael, 10 Jahre