Institute for Digital Business

Smart Contracts: Selecta-Automaten im Web

Oktober 11, 2021

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Folgender Blogbeitrag wurde von Manuel Hofmann im Rahmen eines Leistungsnachweises des CAS Legal Tech verfasst und enthält subjektive Färbungen. Bewertet wurde der Beitrag von Ioannis Martinis und redigiert von der Redaktion des Institute for Digital Business.

Was ist ein Smart Contract?

Gemäss dem gleichnamigen Artikel von Nick Szabo handelt es sich bei Smart Contracts (nachfolgend “SC“) um computergestützte Transaktionsprotokolle, die die Bedingungen eines Vertrags ausführen. Um das konkreter darzustellen, bietet sich der Selecta-Automat an. Wir wählen ein Produkt aus und werfen einen Betrag ein. Der Automat gibt das gewählte Produkt aus und gegebenenfalls das Wechselgeld.

Wie weiss der Selecta-Automat, was er dir geben soll ? Mit Smart Contracts !

Darstellung des “Smart Contracts” eines Selecta-Automaten in Solidity

“Smart” ist der Selecta-Automat insofern, dass er weiss, wieviel seine Produkte kosten und welcher Index ihnen hinterlegt ist. Er kann auch prüfen, ob bei der Auswahl eines Produkts der benötigte Betrag eingeworfen wurde. Schlussendlich führt er dementsprechend Handlungen aus. Ob dieses systematische Vorgehen nun tatsächlich “Smart” ist, bleibt dahingestellt.

Was hat Blockchain damit zu tun?

Woher kommt nun der Hype um SCs, der 2015 mit dem Launch der Ethereum-Plattform begonnen hat?

Anders als vorhergehende Blockchain-Anwendungen, können auf der Ethereum-Plattform beliebig komplexe Skripte hinterlegt werden. Die Skripte können Ether (eine Krypto-Währung) halten und verteilen diese gemäss vordefinierten Kriterien. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit halten somit nicht nur Personen oder Organisationen Geldwerte, aber auch Code.

Da Ether im Gegensatz zu den herkömmlichen Fiat-Währungen ausschliesslich digital existiert, wird nun die Hardware obsolet. Das Skript, welches die roten Kasten zum Leben erweckte, kann nun losgelöst von seiner physischen Manifestierung im Internet existieren.

Nutzer dieser Plattform können analog zur Selecta definieren, wer zu welchem Zeitpunkt und zu welchen Konditionen Ether erhalten. Häufig aufgeführte Beispiele sind:

  • Escrow-Dienste: Der Käufer übergibt dem SC eine Geldsumme bei Verpflichtung zum Kauf einer Ware, welcher nach Abwicklung der Transaktion den Betrag dem Verkäufer weitergibt;
  • Versicherungen: Versicherungsnehmer zahlen Prämien auf einen SC ein und kriegen im Schadensfall eine Summe ausbezahlt;

Wann funktioniert ein Smart Contract?

SCs tun sich schwer bei komplexen Sachverhalten. Während bei Selecta die Erfüllung der Konditionen einfach abgefragt werden kann, da die Inputs standardisiert sind (eingeworfenes Geld), sind die Inputs, welche bei den oben aufgeführten Beispielen geprüft werden müssen weniger eindeutig:

  • Die Ware ist angekommen – was, wenn die Ware beschädigt ist? der Schaden erst nach einem halben Jahr ersichtlich wird?
  • Der Schadensfall ist eingetreten – was, wenn der Versicherungsnehmer den Schaden selbst erwirkt hat? Welche Schadensposten fliessen in die Berechnung mit ein?

Darüber hinaus muss festgelegt werden, woher die externen Inputs kommen: darf der Käufer selber angeben, ob die Ware angekommen ist? kommen die Schadensdaten vom Versicherungsnehmer?

Oft wird man um eine vertrauenswürdige Drittperson (ein sogenanntes Orakel) nicht umherkommen. Wenn wir nun aber wieder von einer einzelnen Person abhängig sind, wieso sollte man dann überhaupt einen SC einsetzen? Dann könnten wir den Vertrag gerade so gut mit dem Escrow-Agenten oder der Versicherung abschliessen.

Auch binden SCs die Vermögenswerte, die ihnen zugewiesen werden. Der Selecta-Automat hält Produkte zur Ausgabe und Münzen für Wechselgeld. Diese Vermögenswerte können nicht anderweitig eingesetzt werden, was bei Selecta überschaubar ist, aber v.a. im Beispiel der Versicherung ein grosses Hindernis darstellt.

Ist ein Smart Contract wie bei Selecta ein Vertrag?

Es kommt es darauf an, ob der SC alle zur Abwicklung des Vertrags benötigten Schritte beinhaltet oder dafür eingesetzt wird, gewisse Teile des Vertrags durchzusetzen.

Im ersten Fall besteht ein Angebot des Betreibers des SC, welches durch konkludentes Verhalten der Gegenseite akzeptiert wird – z.B. wird Geld in den Selecta-Automaten eingeworfen. Durch die Interaktion mit dem SC wird ein im Code repräsentierter Vertrag eingegangen und ausgeführt.

Im zweiten Fall besteht bereits ein Vertrag, dessen Durchsetzung der SC erleichtert. Der SC ist somit kein Vertrag, aber ein Durchsetzungsinstrument, ähnlich einer vertrauenswürdigen Drittperson oder eines Gerichts.

Rechtliche Stolpersteine bei Smart Contracts (Memento Selecta)

Die Durchsetzung eines Vertrags ist bei weitem nicht das einzige Thema, welches problematisch sein kann. So kann der SC vom eigentlichen Vertrag zwischen den Parteien abweichen, da sich die Parteien nach Ingangsetzung des SC mündlich über eine Anpassung geeinigt haben oder der Wille der Parteien falsch im Code abgebildet wurde. Auch kann es sein, dass der dem SC zugrundeliegenden Vertrag nicht mehr besteht, da ein Formmangel oder ein wesentlicher Irrtum bei Vertragsschluss vorliegt.

Einige mögen sich vielleicht noch daran erinnern, wie frustrierend es war, beim Selecta-Automaten Geld eingeworfen und dann dem Schokoriegel zuzuschauen, wie er auf halbem Weg nach unten stecken bleibt. Technologie ist selten perfekt – was früher mit dem Schokoriegel vorfiel, könnte nun auch bald mit unseren Versicherungsansprüchen passieren.

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