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Konsent oder Konsens – Einführung in den integrativen Entscheidungsprozess

Von Petra Kocherhans, Juni 27, 2023

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Holokratie ist eine Art der Strukturierung von Organisationen. Im Gegensatz zu der klassisch hierarchischen Organisationsstruktur zeichnet sich Holokratie dadurch aus, dass statt Personen mit ihren Jobtiteln und Autoritäten, Rollen im Vordergrund stehen. Die Rollen werden von Mitgliedern der Organisation besetzt, sind aber nicht an diese Person gebunden. Meist übernimmt eine Person auch mehrere Rollen. Verschiedene Rollen werden zu einem Kreis zusammengefasst, der wiederum Unterkreise beinhalten kann. Für die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Kreisen werden dann abermals entsprechende Rollen definiert.

Konsent

Quelle: loopings.ch

Die klassische Hierarchie wird folglich abgeschafft und jede Person hat im Rahmen ihrer Rolle volle Entscheidungsmacht und damit auch volle Verantwortung. Das erlaubt einen partizipativen Entscheidungsprozess und eine wesentlich höhere Agilität der Organisation, was bei den vielen aktuellen und zukünftig zu erwartenden Krisen unabdingbar ist. Geregelt werden die Grundprinzipien der Holokratie in der sogenannten Verfassung. Sie ist frei zugänglich und wird laufend von einer weltweiten Community weiterentwickelt. Die Verfassung beinhaltet minimale, aber explizite und transparente Spielregeln und wird als umfassende Anleitung für holokratische Organisationen verstanden.

Holokratie in der Praxis

Möchte man eine bestehende Organisation neu holokratisch organisieren, benötigt das viel Geld, Zeit, Disziplin und oftmals professionelle Hilfe von aussen, wie Hannes Gassert erzählt. Er ist Mitgründer der Firma Liip, einer Digital Agentur für Web und App Entwicklung, User Experience und New Work in der Schweiz, die seit einigen Jahren holokratisch organisiert ist. Wem nach dieser Aussage etwas bange wird und Holokratie damit für das eigene Unternehmen direkt abschreiben will, sollte diesen Blogartikel zuerst noch zu Ende lesen. Denn anstatt des ganzen Programmes lässt sich in einem ersten Schritt auch schlicht ein Element von Holokratie einführen, der sogenannte integrative Entscheidungsprozess. Die folgende Abbildung zeigt den Ablauf eines solchen Entscheidungsprozesses:

Konsent

  1. Vorschlag vorstellen
    Die vorschlagende Person präsentiert ihren Vorschlag zur Lösung einer Spannung, wie ein Problem in der Holokratie auch bezeichnet wird, in der Runde.
  2. Klärende Fragen
    Alle teilnehmenden Personen können Verständnisfragen zum Vorschlag stellen.
  3. Reaktionsrunde
    Jede teilnehmende Person gibt reihum ihre persönliche Reaktion auf den Vorschlag ab.
  4. Klären & Anpassen
    Basierend auf den Reaktionen aus der Runde hat die vorschlagende Person nun die Gelegenheit, ihren Vorschlag klarzustellen oder gegebenenfalls nachzubessern.
  5. Einwand-Runde
    Alle teilnehmenden Personen werden nun reihum befragt, ob sie einen tragfähigen und nachvollziehbaren Einwand haben, den Vorschlag nicht umzusetzen. Die Verfassung bietet dazu verschiedene Testfragen, die sogenannten «Testing Objections», die zur Hilfe genommen werden können. Mit Hilfe dieser Testfragen wird der Einwand genau untersucht, wesentlich genauer als der Vorschlag selbst. Damit wird verhindert, dass ein Vorschlag blockiert wird ohne triftigen Grund. Kommen keine Einwände, gilt der Vorschlag als angenommen. Ansonsten geht es weiter mit Schritt sechs.

    Konsent

    Quelle: Liip

  6. Integration
    Es wird gemeinsam nach einer Lösung gesucht, die die ursprüngliche Spannung löst, ohne den Einwand auszulösen. Mit dem verbesserten Vorschlag geht es nochmals zu Schritt fünf, bis keine Einwände mehr vorhanden sind.

Die integrative Entscheidungsfindung hat den grossen Vorteil, die kollektive Intelligenz nutzbar zu machen, ohne der «Tyrannei des Konsens» zu verfallen. Bei einem Konsens wird so lange diskutiert, bis eine Entscheidung ohne Einwand getroffen wird. Solche Entscheidungen sind meist sehr tragfähig, benötigen aber einen erheblichen zeitlichen Aufwand, bieten die Gefahr von faulen Kompromissen und verhindern häufig gute Ideen. Bei einem Konsent, der Methode des integrativen Entscheidungsprozesses, geht es nicht um Zustimmung, sondern lediglich um die Nichtablehnung eines Vorschlages. Kurz gesagt: Konsens ist wenn alle dafür sind, Konsent wenn keiner dagegen ist.

Was wir davon mitnehmen können, ist, zukünftig häufiger nach tragfähigen Einwänden statt nach Zustimmung zu fragen und damit ein kleines Stückchen Holokratie in unseren Unternehmensalltag einzuführen.

 

Dieser Fachbeitrag wurde im Rahmen eines Leistungsnachweises für das CAS New Work verfasst und wurde redaktionell aufgearbeitet.

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