Institute for Digital Business

Isabel Carbotta: Das grösste Potenzial steckt in den Köpfen des Managements

Von Jrene Rolli, Oktober 3, 2022

Bildquelle: Anne Gabriel-Jürgens

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Lehrerin, Informatikerin, CTO – heute ist Isabel Carbotta als Tech-Advisor in Unternehmen gefragt und macht deutlich, dass die digitale Transformation immer zuerst beim Mensch beginnt. An der HWZ hat sie den ersten digitalen Studiengang mitgestaltet und unterstützt seit Januar 2022 das Institute for Digital Business als Head of Tech.

Du liebst Daten. Welche Daten haben dich heute schon erfreut?

Ich tracke unglaublich gerne Dinge und plane sehr genau, weil ich ein Kontrollfreak bin. Wenn ein Plan aufgeht, freut mich das riesig. Aber noch mehr, wenn etwas Unerwartetes passiert und ich spontan darauf reagieren muss. Darin bin ich richtig gut und total in meinem Element. Heute wollte ich um 7.50 Uhr im Gym sein, war aber erst um 8.05 Uhr dort. Darum hab ich wortwörtlich minutiös geplant, wie ich schneller dusche, um die verlorene Zeit wieder wettzumachen.

Wo siehst du in Schweizer Unternehmen bezüglich Daten am meisten Potenzial, das ungenutzt ist?

In den Köpfen des Managements. Viele wollen ihre Entscheidungen gar nicht aufgrund von Daten fällen, sondern stützen sich lieber weiterhin auf alteingesessene Hierarchien. Wenn das oberste Management gar kein Interesse an einer Datenbasis hat, um basierend darauf zu entscheiden, zieht sich das ins Middle Management durch.

Du unterstützt verschiedenste Unternehmen bei der Einführung von OKR (Objectives and Key Results). Wie überzeugst du Unternehmen, sich damit auseinanderzusetzen?

Es muss nicht OKR sein. Es kann auch ein anderes sinngebendes Framework oder Incentivierungstool sein, das den Mitarbeitenden ermöglicht, autonom zu arbeiten und den Sinn in ihrer Arbeit zu sehen. Aber Unternehmen, welche gar keine autonomen Teams wollen, versuche ich auch nicht davon zu überzeugen. Vielerorts ist das Management nicht bereit, genug loszulassen und die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen.

Wie lange braucht ein Unternehmen, um auf OKR umzustellen?

Initial braucht es zwar nur ein bis drei Tage und wenn es läuft pro Quartal einen halben Tag. Jedoch muss man den Mechanismus verstehen und daran arbeiten. Erst nach rund ein bis zwei Jahren ist es auch in der Kultur verankert. Aber nur eines von zehn Unternehmen bleibt auch tatsächlich so lange bei OKR. 90 Prozent krebsen irgendwann auf dem Weg zurück.

Wieso ist die Abbruchrate so hoch?

Oft fehlen die entsprechenden Rahmenbedingungen, die OKR überhaupt zulassen. Ein Beispiel ist das vielerorts traditionelle Jahresgespräch für Mitarbeitende: Wieso sollen sich Mitarbeitende an OKR orientieren, wenn für eine Lohnerhöhung letztlich doch nur ein Jahresgespräch mit anderen Kriterien entscheidend ist?

Welches weitverbreitete Missverständnis rund um OKR möchtest du endlich aus der Welt schaffen?

Einerseits messen viele mit Key Results den Output und nicht den Impact.

Und andererseits sehe ich immer wieder, dass Mitarbeitende ihre OKR dem Management präsentieren und von diesem genehmigen lassen müssen. So ist das absurd.

Dann kann man es gleich lassen.

Als Co-Studiengangsleiterin des CAS Digital Marketing Pro bist du unter anderem für das Modul Technology verantwortlich. Wieso benötigen heute Marketing-Profis technologisches Wissen, das über das Bedienen einer Software hinausgeht?

Vielen fehlt der technische Background, um auf Augenhöhe mit IT und Agenturen zu kommunizieren. Oft braucht das Marketing etwas von der IT: eine Schnittstelle, eine Änderung auf der Website, eine SEO-Anpassung. Dann ist ein technisches Grundverständnis nicht nur hilfreich, sondern nötig. Sonst ist man komplett überfordert und wird verarscht.

Du bist neu Head of Tech des Institute for Digital Business. Wieso diese neue Rolle und was ist deine Aufgabe und dein Ziel?

Ich werde alle digitalen Bedürfnisse des Institute for Digital Business bündeln, überblicken und strategisch sinnvoll ausrichten. Bisher war es eher ein Flickwerk. Und nicht all das, was wir selber in unseren Studiengängen vermitteln, leben wir auch selber. Das soll sich ändern. Unser Ziel ist, dass wir schneller vorwärtskommen und Impact generieren.

Einige sagen von dir, du würdest mit deiner fortschrittlichen Denke eigentlich ins Silicon Valley gehören. Was hält dich hier in Zürich?

Ich habe hier mehr Lebensqualität. Die Zeit im Silicon Valley war toll und ich würde es auch nochmals für zwei, drei Jahre machen. Aber im Silicon Valley hört der Tag nie auf: Man geht raus und lernt, überall und von allen, von morgens früh bis abends spät. Es ist aber auch eine Bubble, die sich manchmal anfühlt, als lebe man in einer Kolonie auf dem Mars.

Was hast du früher ins Freundebuch geschrieben, was du später mal werden willst?

«Plättlilegerin», aber nur als Witz. Seit ich denken kann, wollte ich Lehrerin werden. Mich begeistert es, Leute zu entwickeln. Das gibt mir Energie und ist auch der einzige Grund, wieso ich je Chefin wurde. Wenn ich Menschen die Möglichkeit geben kann, sich in eine Richtung zu entwickeln, in die sie wollen, dann finde ich das grossartig.

Welche persönlichen Ziele verfolgst du in den nächsten drei Monaten?

Ich möchte Dinge bewusster machen, statt immer getrieben zu sein. Mir mehr Zeit nehmen, meine Gedanken fliessen zu lassen. Mehr abschalten, spazieren, wandern oder bouldern gehen. Und all meine Engagements und Mandate so synchronisieren, damit ich nicht zig mal am Tag den Kontext wechseln muss. Schliesslich wurde ich nicht Freelancerin, um mehr Stress zu haben.

 

Für unser Yea(h)rbook 2022 haben wir inspirierende Persönlichkeiten aus dem nahen Umfeld des Institute for Digital Business interviewt. Für den Fall, dass du das Interview im gedruckten Format noch nicht lesen konntest, teilen wir es hier auf unserem Blog noch einmal digital. 

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