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Freestyle Storytelling: Neue Wirklichkeiten schaffen im System des Alltags

Mai 13, 2019

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«Storytelling» im Rahmen des CAS Multichannel Management mit Frank und Patrik Riklin. Aus St. Gallen berichtet Cornel Rüegg.

«Freestyle Storytelling» bedeutet, Geschichten ausserhalb von bekannten Regeln und gängigen Normen zu erzählen und neue Wirklichkeiten zu schaffen. Dies erklären uns die Konzeptkünstler Frank und Patrik Riklin im «Atelier für Sonderaufgaben» in St. Gallen. In ihrem Fall heisst dies, Kunst zu produzieren, wo keiner sie erwartet. Bei jedem ihrer Projekte verlässt die Kunst nämlich den üblichen Rahmen und greift ins «System des Alltags» ein. Deshalb empfehlen Sie auch für die Projekte in unseren Unternehmungen den gleichen Ansatz – sie nennen ihn «Macheting statt Marketing».

Eine Story beginnt

Um eine Geschichte präsentieren zu können, bedarf es Inspiration und Kreation. Für die jede Phase des Prozesses muss eine interessante Geschichte erzählt werden. Am Schluss muss die gesamte Story den Auftraggeber überzeugen. Die Riklins nennen den Prozess «Überfall auf den Alltag». Die Konzeptkünstler gehen unkonventionelle Wege und sehen den Kunden nicht als König; eher suchen sie mit ihm die Komplizenschaft. Das heisst soviel wie: „Sitze mit deinem potentiellen Feind zusammen und gehe mit ihm einen gemeinsamen Weg, kreiere und entwickle mit ihm das neue Produkt“.

Eine Geschichte muss übrigens nicht zwingend abschliessend erzählt werden, sie kann ein Open End haben. Eine These der Riklins lautet denn auch: Prozesse beginnen da, wo sie vermeintlich enden. In ihren Projekten lassen sich die Riklins leiten vom Grundsatz «Zuerst die Kunst, dann die Ökonomie». In diesem Zusammenhang erklären sie die zentrale Schnittstelle, an der künstlerische und unternehmerische Kompetenzen zusammentreffen, die Artonomie.

Artonomie nach Brüder Riklin

© Atelier für Sonderaufgaben, 2019: Artonomie: Schnittstelle zwischen Kunst und Oekonomie

Drei Schlüsselfragen

Nun sind wir dran! Wir sollen Antworten (Notizen, Mind- oder Inspirationsmap) auf drei zentrale Fragestellungen niederschreiben. Sich diese Schlüsselfragen zu stellen, ist der Kern des Freestyle Storytellings.

  • Wie gelingt es, die Inhalte meiner Unternehmung in eine spannende Geschichte zu verpacken?
  • Wie gelingt es, die Beziehung zwischen Unternehmung, Mitarbeitern und Kunden zu „verunüblichisieren“? (siehe Beispiel unten: Insektenvernichter)
  • Wie gelingt es mir, neue Wege im Marketing zu gehen?

Wir erhielten eine Hilfestellung: Was bewegt mich emotional? Was macht mich nervös, was regt mich an? Wir sollen frei denken, ohne Konventionen, unsere Gedanken ins Extreme zulassen.

Inspirationen

Anhand erfolgreicher und aufwändiger Aktionen aus dem «Atelier für Sonderaufgaben» dürfen wir uns jetzt von drei Storys begeistern lassen.

Story 1 «Fliegen»

Ein etabliertes Insektizid-Unternehmen wünschte eine Werbeaktion für die neu entwickelte Fliegen-Killerfalle. In einem längeren Prozess mit dem Auftraggeber nimmt die Geschichte eine unerwartete Wende, in deren Verlauf der Insektenvernichter zum Insektenretter (Stichwort «Insect Respect») wurde.
Die Riklins stellten das Projekt also komplett auf den Kopf! Geboostet durch Kunstinszenierungen während des Projektverlaufs erhielt das Produkt grosse Medienaufmerksamkeit – die verunüblichisierte Werbeaktion wurde für Auftraggeber und Agentur ein voller Erfolg.

Story 2 «Tücher»

Eine regionale Standortmarketing in der Ostschweiz kam mit dem Auftragsziel: Wir möchten Menschen dieser Region zusammen bringen, ihnen Identität stiften. Riklins Schlüsselfrage war: Wie schaffen wir Tradition?
Die Geschichte BIGNIK beginnt. Bei jedem Bewohner der Region wird ein Tuch (rot oder weiss) eingesammelt, wie immer mit unkonventioneller Methode. Bereits diese erzeugt Interesse, Emotionen unter den Menschen. Die Medien berichten! Freiwillige nähen die Tücher zu einem gigantischen rotweiss-karierten Tuch zusammen, auch dies medial gezielt inszeniert. Und nun das Volksfest: ein Mal jährlich wird das riesige Tuch im Freien ausgelegt und die Menschen erleben drum herum Emotionen. Diese erfolgreiche Geschichte wird nun seit 7 Jahren geschrieben, das Ende ist offen.

Impression PIGNIK

© Atelier für Sonderaufgaben, 2019

Story 3 «Motorsägen»

Ein Fensterglas-Unternehmer wollte in der Akquisition neuer Kunden neue Wege gehen. Mit seiner Telefonakquisition fand er keine neuen Kunden mehr. Getreu Riklin’s These «Erst die Kunst, dann die Ökonomie» entstand unter Verwendung ihrer ureigenen Stilmittel ein mobiles Büro auf einer Hebebühne. Einen Teil des Büros hatten sie kurzerhand mit einer Motorsäge ausgeschnitten – ich gebe zu, schwer vorstellbar aber so geht es weiter. Mit der fahrbaren Hebebühne fuhr der Unternehmer nun direkt vor das Fenster der potentiellen Kunden. Mit der Aktion überraschte er die Kundin, provozierte Emotionen und auch hier: grosses Medieninteresse. Die Aktion führte dazu, dass bei 9 von 10 Anrufen eine Kundenbeziehung entstand.

Akquisition am Fenster des Kunden.

© Atelier für Sonderaufgaben, 2019

Es folgt eine weitere Übung für uns, die Fragen lauten: Was inspiriert uns an diesen Storys? Was ist der gemeinsame Nenner der drei Geschichten.

Grundlagen des Storytellings

Was sind die Stilmittel?

Ehrlichkeit, öffentlich, experimentell, ungewohnt kompromisslos, überraschen, spielerisch, normbrechend, verunüblichisierend […] ressourcen-orientiert.

Was sind die Voraussetzungen für erfolgreiches Storytelling?

Identitätsbewusstsein: Wer sind wir? Woher kommen wir? Wohin gehen wir?
Personifizierung, Authentizität, Glaubwürdigkeit, Ernsthaftigkeit, Irritation, Dramaturgie.
Fokus liegt auf der Story, nicht auf dem Produkt!
Gesellschaftliche Relevanz: aktueller Bezug, Newswert, echte Fragestellungen, visionäres Denken.
Visualisierung: starke Bilderwelt (Eye-Catcher), Corpus delicti, Locations
Arbeit mit der Emotion, Abenteuer und Risikobereitschaft, unübliches Handeln, Ergebnisoffenheit.

Kompetenzen eines guten Storytellers

Kreatives, dramaturgisches Denken, Kommunikations- und Begeisterungsfähigkeit
Sinn für Spannung, Fakten, Genauigkeit, Emotionalität, Authentizität
Verkörperung der Inhalte, Intuitives Gespür/Feingefühl für Situationen/Ereignisse
Sensibilität, Geistesgegenwärtigkeit und hohe Reaktionsfreudigkeit bei Unvorhergesehenem.

Abgeschlossen haben wir den inspirierenden Tag mit einer letzten Übung: Entwickelt eine verrückte Idee für euer Unternehmen und packt sie in eine spannende Geschichte.
Beschreibung: Was passiert? Wer ist der Akteur?
Raum und Zeit: Wo und wann spielt die Story?
Stilmittel: Welche Mittel, Materialien, Methoden werden verwendet?
Titel: Wie lautet der Titel, bzw. die Wunsch-Headline in den Medien?

Auf den Weg geben uns Frank und Patrik Riklin die Message: «UMP» Unique Macheting Proposition. Was soviel heisst wie: Einfach mal mit der Story anfangen und darauf vertrauen, dass sie wachsen wird.

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