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Ein Urteil zum Influencer-Marketing, das kaum einer kennt

Von Thomas Zemp, September 6, 2022

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Es ist erstaunlich: Da wird der bekannte Snowboarder Iouri Podladtchikov wegen Werbung auf Instagram verurteilt, Tennisstar Roger Federer dagegen freigesprochen. Doch selbst Social-Media-Experten wissen kaum davon.

Auch auf Nachfrage sagt die HWZ-Dozentin fürs Influencer-Marketing: «Nein, dazu gibt es kein Urteil.» Sie meinte damit, dass in der Schweiz bisher kein Entscheid existiere, wie Influencer:innen auf Social Media mit Werbung umgehen müssen. Ob und wie sie also offen legen müssen, wenn sie in einem Post für ein Produkt, eine Dienstleistung oder eine Firma Werbung machen. Die Frage an die Dozentin hatte gelautet: «War da nicht mal was bei Podladtchikov? Dem Snowboarder.»

Influencer Iouri Podladtchikov

Quelle: https://www.instagram.com/iouripodladtchikov/ (Post wurde in der Zwischenzeit gelöscht)

Ähnlich die Situation, als sich die Klasse mit rechtlichen Grundlagen rund um Social Media auseinandersetzt. Der HWZ-Dozent zeigte den 15 Studierenden einen Instagram-Post des Snowboard-Weltmeisters und Olympiasiegers Iouri Podladtchikov, wie er in in einem Eingang zu einem Wintersportgeschäft steht, das Logo der Firma ist gut erkennbar auf dem Bild. Im Post schrieb er: «what to waer…».

Fast alle lagen falsch

Der Jurist fragte die Klasse: Durfte der ehemalige Sportstar den Post auf Instagram publizieren, ohne zu sagen, dass er mit dem Unternehmen des Sportladens einen Werbevertrag hat?

Die Antwort: Nein. Er hätte seine Werbepartnerschaft bei diesem Post offenlegen müssen.

Nur einer der 15 Studierenden wusste die richtige Antwort. Die mussten rätseln – und alle lagen falsch.

Das ist erstaunlich.

Denn es handelt sich um die Klasse, die den CAS Social Media & Marketing Content an der HWZ absolviert. Die Dozentin, die nichts über das Influencer-Urteil der Lauterkeitskommission wusste, leitet in Zürich eine Firma, mit der sie Influencer:innen und Unternehmen zusammenbringt und berät.

Wenn nur gerade Juristen mit vertieften Rechtskenntnissen der Digitalen Welt den Entscheid der Schweizerischen Lauterkeitskommission kennen und sonst offenbar niemand, lohnt es sich, diesen nochmals genau anzuschauen. Denn die Kommission hat nicht nur den Fall von Podladtchikov beurteilt, sondern vier weitere. Darunter einen des Tennisstar Roger Federer (8,8 Millionen Follower:innen) und einen der Mountainbike-Weltmeisterin und Olympiasiegerin Jolanda Neff (421’000 Follower:innen).

Ein klarer Fall bei Podladtchikov

Der Stiftung für Konsumentenschutz hatte die fünf Promis exemplarisch ausgewählt und 2019 mit Beschwerden eingedeckt, weil sie sich als Influencer auf Plattformen wie Instagram oder Facebook mit Produkten ins Bild setzen liessen.

Der Fall von Podladtchikov war für die Lauterkeitskommission eindeutig. Seine Managerin machte im Verfahren zwar geltend, der Post sei aus rein persönlichen Interessen aufgeschaltet worden und nicht im Auftrag des Sportartikelausrüsters oder der X-Games in Aspen/Colorado. Es handle sich darum nicht um bezahlte Werbung. Diese Begründung erachtete die Kommission als «in keiner Art und Weise nachvollziehbar». Bereits ein erster Blick auf die Website zeige, dass der Sportartikelausrüster einer von vier Sponsoren des Snowboarders sei. «Insbesondere hat eine Person, welche Sponsoringleistungen oder damit vergleichbare Entgelte oder Sachleistungen erhält, ihr Verhältnis zur leistungsgebenden Person offenzulegen.» Für die Kommission handelt es sich um einen klaren Fall von unlauterer Werbung.

Influencer Jolanda Neff

Quelle: https://www.instagram.com/jolandaneff/ (Post wurde in der Zwischenzeit gelöscht)

Anders verlief der Fall von Jolanda Neff. Sie hatte auf ihren Instagram-Kanal eine Werbung der Kreditkartenfirma gepostet, mit der sie eine Werbepartnerschaft hat, ohne darauf zu verweisen, dass es sich um eine bezahlte Werbung handelt. Sie selber war im Post nicht zu sehen. Die Kommission musste bei diesem Fall kein Urteil fällen, weil Neff versicherte, künftig alle vergleichbaren Posts klar mit #anzeige, #werbung, #ad, #sponsoredby oder #powerdby zu deklarieren.

Influencer Roger Federer

Quelle: https://www.instagram.com/rogerfederer/ (Post wurde in der Zwischenzeit gelöscht)

Auch wenn das zuerst einmal etwas seltsam tönt: Für die Kommission ist ein Post mit Werbung nicht gleich ein Post mit Werbung. Bei Federer kam sie zum Schluss, dass er nicht unlauter geworben hat. Im Post auf Instagram hatte er ein Video publiziert, auf dem zu sehen war, wie er sich in Nahaufnahme ein Stirnband der Marke Uniqlo anzieht. Im sportlichen Umfeld sei es «bekanntermassen üblich, Markenlogos aus rein kommerziellen Hintergründen zu präsentieren», schrieb die Kommission. Es sei «unzweifelhaft kommerzielle Kommunikation», die nicht deklariert werden müsse.

«Absolut unverständlich»

Für den Konsumentenschutz war der Entscheid bei Federer und Influencer:innen wie Michelle Hunziker und Xenia Tchoumi, die er ebenfalls eingeklagt hatte, enttäuschend. Bei ihnen hatte sich die Kommission ähnlich geäussert. In einer Medienmitteilung schreibt der Konsumentenschutz: «Ein absolut unverständliches Vorgehen der Lauterkeitskommission, denn das bedeutet im Grunde, dass Influencer schalten und walten können, wie sie wollen. Die Konsumentinnen und Konsumenten werden allein gelassen.»

Doch Podladtchikov wie auch alle anderen fehlbaren Influencer:innen müssen bei Verstössen nicht mit Sanktionen oder Bussen rechnen. Sie erhalten allenfalls eine Ermahnung.

In der Werbebranche finden die Urteile der Lauterkeitskommission jedoch Beachtung. Und sind breit akzeptiert. Denn die Kommission ist paritätisch zusammengesetzt aus Vertreter:innen der Branchenorganisationen für Konsument:innen, der Medienschaffenden/PR sowie der kommerziellen Kommunikation.

An dieser Stelle kommt folgendes Video:

SRF: «G&G» mit Traumfrauen und einem fotografierenden Snowboarder

 

Dieser Fachbeitrag wurde im Rahmen eines Leistungsnachweises für das CAS Social Media & Marketing Content verfasst und wurde redaktionell aufgearbeitet.

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