Institute for Digital Business

Drum prüfe, wer sich (ewig) bindet

Oktober 23, 2017

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Aus dem Unterricht des CAS Social Media Management mit Renato Mitra berichtet Claudia Kaufmann:

Die Idee selbst ist nicht neu: Fürsprecher für die eigene Marke oder die eigenen Produkte zu gewinnen, ist eine gängige Marketingstrategie. Aber mit den neuen, einfachen Möglichkeiten von Social Media, Inhalte zu verbreiten, hat sich eine neue Gattung von Meinungsmachern etabliert: die digitalen Influencer. Ihr Erfolg basiert auf der geschickten Kombination  von Glaubwürdigkeit und Reichweite, von persönlichem Empfehlungsmarketing und sozialem Networking. Die schöne neue Influencer-Welt birgt indes auch Fallen. Drei Faktoren sind für Renato Mitra entscheidend, damit diese elegante Form der multiplizierten Mund-zu-Mund-Propaganda nicht zum öffentlichen Boomerang wird: Eine klar definierte Strategie, eine sorgfältige Personen-Wahl und eine verbindlich geregelte Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Influencer.

Influencer: Fürsprecher oder Rattenfänger?

Influencer: Mehr Schein als Sein?

Die Werbung mit Influencern boomt. Doch jetzt zeigt sich: Nicht alles, was in den Social Media Influencer-mässig glänzt, ist Gold wert. Die Szene hat mehr als ein Fake-Problem. Da ist zum einen der grassierende Ideenklau: Hemmungsloses Copy&Paste untergräbt das persönliche, kreative Statement. Dann die Schleichwerbung: Bezahlter Content wird längst nicht immer korrekt als solcher deklariert. Und vor allem: Die Reichweiten sind trügerisch. Denn ein erschreckend hoher Teil der Influencer-Follower ist gar nicht echt. Eine aktuelle Recherche von SRF Data zeigt: Bei Schweizer Influencern ist fast jeder Dritte im Gefolge fake.

Was also gilt es zu beachten, bevor und während man sich mit Influencern zum werberischen Pas-de-deux einlässt? Der Vorgehensplan von Renato Mitra folgt fünf Schritten.

Influencer-Konzept: Wer was wie warum wodurch für wen?

Schritt eins: Strategie definieren

Was bei jeder Marketing-Disziplin zutrifft, gilt auch hier: „Zuallererst muss die eigene Strategie klar sein“, sagt Renato Mitra. Welche Ziele verfolgen wir mit dem Influencer Marketing? Welche Zielgruppe wollen wir erreichen? Welche Themen wollen wir dafür nutzen, welche Kanäle bespielen? Welches Hashtag-Konzept verfolgen wir? Und welche Erfolgsindikatoren sind für uns relevant: Blosse Reichweite und Suchmaschinen-Sichtbarkeit? Soft factors wie Brand image und Brand awareness? Oder „harte“ KPI wie Engagements und Conversions?

Und: Sind allenfalls Micro-Influencer für unsere Zwecke die besseren Influencer? Auch diese Frage ist individuell in der Strategie zu beantworten. „Hohe Reichweite bedeutet nicht zwingend hohen Erfolg“, erklärt Mitra. „Micro-Influencer haben in ihrer Nische mitunter deutlich weniger Follower, dafür aber eine umso engere Bindung an sie.“ Das heisst: Sie kennen ihre Community besser und weisen darin viel höhere Engagement-Raten aus. Die Zusammenarbeit mit mehreren Micro-Influencern statt einer dominanten Gallionsfigur ist unter Umständen organisatorisch aufwändiger, kann aber durchaus wirkungsvoller und subtiler sein.

Schritt zwei: Mögliche Influencer identifizieren

Wenn die Strategie steht: Wer kommt als potenzieller Influencer dafür in Frage? Influencer können von spezialisierten Agenturen empfohlen oder eigenhändig gesucht werden. Doch wo und wie findet man sie? Renato Mitra schlägt vier Wege vor: Zum einen die normale Suche über Google und andere Suchmaschinen. Dann die Suche mit relevanten Hashtags auf Instagram, Youtube, Twitter und anderen Influencer-Plattformen: Wer tut sich hier zu unserem Thema besonders hervor? Auch eine Analyse der eigenen Follower liefert Erkenntnisse: Wer engagiert sich besonders stark und verfügt über ein interessantes Follower-Netzwerk? Last but not least hilft die Verwendung spezialisierter Tools wie BuzzSumo, Influencer.World und Likeometer.ch.

Nicht überall, wo Influencer draufsteht, ist auch ein Influencer drin

Schritt drei: Die Spreu vom Weizen trennen

„Jetzt kommt die Kunst der Selektion“, erklärt Renato Mitra. „Es gilt, aus den möglichen Influencern den oder die richtigen auszuwählen.“ Dafür gibt er folgende Leitfragen vor: Passen Auftreten, Werte und Persönlichkeit, die der Influencer über seine Kanäle transportiert, zum Image unserer Marke? Hat er die richtige Affinität zum Thema, zum Produkt? Gehören der Influencer und seine Follower zu unserer Zielgruppe? Vertritt er keine andere Marke, kein Thema oder Produkt, das mit den unseren kollidiert? „Sind diese Voraussetzungen gegeben, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich der Influencer mit uns identifizieren kann – und über ihn auch seine Follower“, erklärt Renato Mitra.

Schritt vier: “Schau mir in die Augen, Kleines“

Gerade vor dem Hintergrund der Fake-Fallen ist es für Renato Mitra entscheidend, den oder die ausgewählten Influencer gründlich zu durchleuchten. Für Mitra liegt das Augenmerk auf folgenden Fragen:

  • Wer sind seine Followers und woher stammen sie? In welchem digitalen Umfeld bewegen sie sich und wie verhalten sie sich darin? Ein kurzer Klick auf die jeweiligen Profile hinter den Kommentaren gibt Aufschluss darüber.
  • Wie gross ist seine Reichweite? Wie viele Nutzer folgen dem Influencer, und sind diese Follower auch echt? Ist ihr Wachstum glaubwürdig oder verweisen plötzliche Sprünge auf gekaufte Follower? Dabei gilt es, die Gesamtreichweite des Influencers über seinen ganzen Kanalmix zu betrachten.
  • Wie gross ist sein Wachstumspotenzial? Können Influencer und Marke zusammen wachsen, sich gemeinsam entwickeln? Denn das stärkt die Glaubwürdigkeit und ermöglicht das allmähliche Ausbauen der Reichweite. Die Wachstumsrate widerspiegelt also das Potenzial für die Zukunft.
  • Wie sieht die Interaktion in seiner Community aus? Sind seine Follower passive Betrachter oder zeigen sie echtes Interesse, indem sie sich aktiv einbringen? Wie ist das Verhältnis von blossen Likes zu Sharings und Kommentaren? Die Interaktionsrate kann auch Fake-Follower entlarven: Denn Veränderungen in Interaktionsrate und Followerzahl müssen Hand in Hand gehen. Auch über generische Bot-Kommentare lassen sich Fake-Abonnenten entlarven.
  • Bestehen andere Kooperationen? Hat sich der Influencer bereits an Unternehmen gebunden, und an welche? Dies lässt Rückschlüsse auf die Affinität des Influencers zum Thema/Produkt und auf seine Exklusivität zu.
  • Wie ist die Qualität seiner Postings? Ein hoher Anteil an breiten, lieblosen Produktplatzierungen ist ein Indiz dafür, dass der Influencer seine Reichweite leichtfertig verkauft – was seine Glaubwürdigkeit und damit das Vertrauen seiner Follower mindert. Umgekehrt deuten ehrliche und fundierte Empfehlungen zu wenigen, ausgewählten Marken und Produkten und ein gutes Verhältnis von gesponserten und freien Postings auf Authentizität.
  • Welche sozialen Kanäle nutzt der Influencer? Je mehr Kanäle er bespielt, desto grösser auch die Reichweite bzw. das Re-Targeting innerhalb der Zielgruppe.
  • Wie steht es um seine Kreativität und Einzigartigkeit? Denn wer sich mit Originalität von der Masse abhebt, kann die grössere Wirkung entfalten.

Diverse Tools helfen, die entsprechenden Angaben im offiziellen Media-Kit des Influencers zu überprüfen: beispielsweise InfluencerDB, Social Bakers, Social Blade, Fanpage Karma oder SimilarWeb. Da nicht alle statistischen Angaben frei zugänglich sind, empfiehlt Renato Mitra, beim Influencer Zugriff auf die Originalzahlen zu verlangen – ob er dies gestattet, gibt wiederum Auskunft über seine Vertrauens- und Glaubwürdigkeit.

Wie gross ist die Anziehungskraft eines Influencers?

Schritt fünf: Ran an die digitalen Meinungsmacher!

Die Kooperation mit einem Influencer kann (je nach Strategie) einmalig und kampagnenbezogen oder langfristig (respektive, wie das Beispiel Nike zeigt, sogar lebenslänglich) sein. Eine langfristige Anbindung des Influencers stärkt die Glaubwürdigkeit und das gegenseitige Vertrauen. Die Beziehung wird effizienter, die Reichweite grösser, die Möglichkeiten breiter. Hier kann sich das Influencer Marketing zur nachhaltigeren Form der Influencer Relations weiterentwickeln.

Eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Influencer benötigt die richtige Balance zwischen Unabhängigkeit und gemeinsamer Interaktion, Freiheit und gegenseitigem Austausch. Grundlage dafür bildet ein Vertrag, der die Erwartungen von beiden Seiten klärt und festhält. Er regelt die Pflichten des Influencers, die Leistungen des Unternehmens, die Mechanismen der Zusammenarbeit, Kennzeichnungs- und Geheimhaltungspflichten, die Nutzungsrechte für die produzierten Inhalte und die Rechtsfolgen bei Verstössen, und schafft so Klarheit und Sicherheit für Unternehmen wie Influencer.

die Macht des Influencers basiert auf Autorität und Sympathie

Zum Abschluss: Der schmale Grat der Schleichwerbung

Influencer Marketing ist eine Form kommerzieller Werbung und muss nach aussen als solche klar erkennbar sein. Zwar sind in der Schweiz die Spielregeln für die Deklaration von Werbung im digitalen Raum noch unschärfer als in der EU oder in den USA, und die Sanktionsmöglichkeiten beschränkter. „Wir tun aber gut daran, uns bereits jetzt an die Standards in Deutschland halten, denn schon bald wird es auch in der Schweiz Verschärfungen in diesem Bereich geben“, weiss Renato Mitra. Für die Kennzeichnung von Werbung bieten Facebook, Instagram & Co. fortlaufend neue Möglichkeiten an. Als Grundregel gilt: Das Kürzel „#AD“ genügt nicht, die Kennzeichnung #WERBUNG oder #ANZEIGE muss explizit und zwingend am Anfang eines Post-Textes oder einer Bildunterschrift stehen. Fremdsprachige Hashtags wie  #sponsored, #sponsoredby oder #poweredby sind nur bei internationalen Kampagnen in Englisch zulässig.

Weiterführende Informationen finden sich hier:

Gute Influencer bringen eine genuine Leidenschaft für eine Marke oder ein Produkt überzeugend zum Ausdruck und geben sie aufgrund ihrer sozialen und fachlichen Autorität, ihrer Vertrauenswürdigkeit und Kreativität erfolgreich an ihre Online-Gefolgschaft weiter. Conditio sine qua non sind Authentizität und Glaubwürdigkeit: Denn nichts ist überzeugender und ansteckender als echte Begeisterung.

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