Design Thinking – zum Gipfel der Angst und zurück
Juni 13, 2019
Design Thinking – wer hat nicht schon davon gehört? Schillernde Unternehmen schwören auf diesen Ansatz, welcher Innovationskraft und Absatz Flügel verleihen soll. Apple, Nike, Disney haben es vorgemacht. Aber was steckt wirklich dahinter?
Mit Dr. Christophe Vetterli hatten wir einen ausgewiesenen Spezialisten bei uns, der an der Hochschule St. Gallen und in Stanford bei den Koryphäen des Fachs studierte.
Ziel des Kurses war es, die Zusammenhänge und wichtigsten Bausteine rund um Design Thinking zu verstehen. Ein dichtes Nachmittagsprogramm erwartete uns, bestehend aus getakteten Gruppenarbeiten, Cases und viel Hintergrundwissen.
Die erste Aufgabe lautete: Wie baut man in sieben Minuten einen möglichst hohen Turm aus Spaghetti und Marshmellows? Diese Challenge nahmen wir an, aber was ist bloss die beste Taktik?
Einfach drauflos basteln, oder erst einen Plan entwerfen? Wer nimmt welche Rolle ein? Ein Schelm, wer jetzt “Marshmellow-Turm” googelte. Die Strategien waren so unterschiedlich wie die Türme hoch wurden. Nach sieben Minuten durfte die Gruppe nochmals von vorne beginnen und die Learnings aus Runde eins integrieren. Wurde es besser?
Das Thema war somit lanciert: Fail harder, fail better. Wir waren gespannt auf den weiteren Verlauf.
Die Methode des Design Thinking wurde Anfang der 90er Jahre in Palo Alto entwickelt. Entwickler und Vertreter der Methode sind Terry Winograd, Larry Leifer und David Kelley. Die letzen beiden Herren sind Mitgründer der Designagentur IDEO, von der die erste Apple Maus stammt.
Leifer und Kelley unterrichten Heute noch an der “d.school” in Stanford. Diese wird von Hasso Plattner, SAP-Gründer und Philanthrop, unterstützt.
Die Erschaffung von Prototypen nimmt im Design Thinking Prozess eine dominante Rolle ein. Deren Qualität und Auflösung ist bewusst niedrig gehalten, damit man schnell einen “greifbaren” Vorschlag in den Händen hält. Es soll auch verhindert werden, dass man sich in die erste Idee verliebt. Es gilt der Grundsatz:
Der Makroprozess strukturiert die Design Thinking Arbeitsweise und wird im Rahmen eines Projektes einmal durchlaufen. Er gliedert sich in sieben Schritten, von denen jeder Schritt eine oder mehrere Interaktionen des Mikrozyklus erfasst.
Es kann vorkommen, dass mitten im Prozess die Aufgabenstellung per se zur Diskussion gestellt wird. Die Folgen davon sind grosse Unsicherheit und Orientierungslosigkeit. Diesen Zustand nennt man den “Peak of Fear”, welche ist die kritischste Phase des Projektes darstellt. Zu diesem Zeitpunkt wirken die divergierenden Fliehkräfte am stärksten – es sind die negativsten Reaktionen zu erwarten.
Zum Ende des Kurses analysierten wir einen Case innerhalb der Deutschen Bank. Anfangs herrschte Skepsis der Methode gegenüber: “Where is the business case in design thinking?”, wollte der CEO Joe Ackermann wissen.
Die Ausgangslage war herausfordernd: diverse Unternehmensbereiche arbeiteten in ihren Silos vor sich hin. Somit konnte kein Austausch stattfinden, worunter die Qualität der Produkte und schlussendlich das Business leidete. Die Bedürfnisse der Kunden blieben regelmässig auf der Strecke und wurden nie bis zu den Entscheidungsträgern weiter kommuniziert.
Design Thinking schaffte es, innerhalb weniger Monate verhärtete Strukturen aufzubrechen und schlagkräftige, multidisziplinäre Teams wurden zusammengesetzt. Die Dynamik dieser Gruppen übertrug sich auf andere Geschäftsbereiche. Mit dem Ergebnis, dass sich die Methode wie von alleine im Unternehmen verbreitete.
Design Thinking rechnet sich offenbar auch auf finanzieller Ebene. Und wie! Satte 228% übertrifft die Wertsteigerung der Design Centric Organizations diejenigen des S&P-Index.
Fazit: Der Mensch steht – wie vermutet – immer im Zentrum. Neue Denkansätze sind nur möglich, wenn wir fähig sind in die Haut des Gegenübers zu schlüpfen. Dies wusste schon der US-Schriftsteller Harper Lee 1960 in seinem Roman “To Kill a Mockingbird”:
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