Design Thinking – Aus der Sicht des Kunden
Mai 12, 2020
Auf dem Stundenplan des 5. Mai 2020 stand das Thema “Value Prop Design, MVP, Prototyping”. Bei diesen Begriffen wird sofort klar, dass es sich dabei um die Arbeitsmethode des Design Thinking handeln muss. Das Thema wurde bereits in vergangenen Schulblöcken mehrmals angeschnitten, aber nie richtig vertieft. Es wurde also Zeit, den Prozess im Detail kennenzulernen.
Dozent des Tages war Alessandro Tschabold, Innovation Expert bei der UBS und Coach bei Innosuisse, von dem ich mir aufgrund seiner Vita und seinem Versprechen “ihr werdet den heutigen Tag als Design Thinking Experten beenden” viel erhoffte.
Alessandro hatte eine hohe Erwartungshaltung an uns, denn wir sollten Design Thinking nicht nur in der Theorie kennenlernen, sondern anhand eines in Gruppen erarbeiteten Use Cases den ganzen Prozess einmal durchgespielt haben.
Und das Ganze alles digital via “Zoom” und ohne die berüchtigten Design-Thinking-Whiteboards mit den aufgeklebten Post-It’s? Ich war etwas skeptisch…
Projekte lassen sich sehr vereinfacht in die Bereiche Desirability (steht für den Kunden), Viability (steht für den Business Case) und Feasibility (steht für die Technologie) unterteilen. Doch was nimmt man zuerst in Angriff? Wir mussten uns klar eingestehen, dass in unseren Unternehmen mehrheitlich beim Business Case gestartet wird. In einem zweiten Schritt widmet man sich der Technologie und am Schluss wird das effektive Kundenbedürfnis erkannt. Erhöht diese Herangehensweise die Chancen das Kundenproblem zu lösen? Definitiv nicht. Und genau dort setzt das Design Thinking an.
“Oftmals ist die fixfertige Lösung bereits gebaut, bevor man sich mit dem effektiven Kundenbedürfnis auseinandersetzt” – Alessandro Tschabold
Das Problem muss am Anfang stehen, für welches ich mittels viel Kreativität, Empathie gegenüber dem Kunden und innovativen Gedanken eine kundenzentrierte Lösung erbringe. Dabei ist auch die Zusammenstellung des Projektteams ein Erfolgsfaktor. Je unterschiedlicher die Sichtweisen der Teilnehmer, desto eher werden kreative Ideen gefördert.
Der Design Thinking Prozess lässt sich in folgende vier Schritte unterteilen:
Wie einleitend erwähnt, konnten wir den Design Thinking Prozess in Teams durchspielen – gestartet mit einer Problemstellung, beendet mit einem Pitch vor der Klasse. Uns standen nicht wie üblich bei Design Thinking Projekten mehrere Wochen oder Monate zur Verfügung, sondern lediglich acht Stunden. Zusammengefasst erzielte mein Team innert kürzester Zeit folgende Resultate:
Discover: Wir definierten zu Beginn die Problemstellung “Was muss ich bei einem Auslandaufenthalt alles berücksichtigen, damit ich mich sicher und ohne Probleme am Zielort bewegen kann?”. Etwas voreingenommen dachten wir an Themen wie Reiseversicherung, Visum, Impfung, Zahlungsmittel, Sicherheitsprobleme am Zielort etc.. Dank den durchgeführten qualitativen Kundenbefragungen erkannten wir aber das eigentliche Problem: “Was muss ich vor und während einem Auslandaufenthalt aufgleisen, damit mein Zuhause sicher ist?“.
Define: Mit den Eindrücken aus dem vorherigen Schritt erstellten wir unsere eigene Hassle Map und konkretisierten die Problemstellung. Die Map beinhaltete unter Anderem “Hassles” wie Briefkasten leeren, Haustiere füttern oder Pflanzen giessen. Dazu kam die Schwierigkeit vertrauenswürdige Personen zu organisieren, welche diese Aufgaben übernehmen könnten und Zeit haben. Der dazugehörige Koordinationsaufwand ist nicht zu unterschätzen.
Develop: Wir wählten die Methode des Value Proposition Canvas. Auf der rechten Seite führten wir die Gains & Pains der Kunden auf, sowie deren Customer Jobs. Auf der linken Seite widmeten wir uns dem Produkt und definierten Gain Creators, Pain Relievers und unsere Products & Services. Daraus resultierte unser MVP: Eine in die Hausratversicherung integrierte Mobile App mit dem Namen “Security@Home”. Unser Nutzenversprechen lautete wie folgt:
Unser Security@Home App bietet Kunden während ihrem Auslandaufenthalt ein rundum Sorglos-Paket an, um die Alltagssorgen hinter sich zu lassen, weil sie Ihr Zuhause in unsere sicheren Hände geben.
In der letzten Phase wollten wir die Klasse von unserem Produkt überzeugen. Für den dreiminütigen Pitch visualisierten wir die App mit Hilfe des Tools “Prototyping on paper“, was extrem gut beim Publikum ankam. Zudem konnten wir mit viel positiver Energie und Überzeugungskraft punkten. Der Pitch für das Security@Home App war ein voller Erfolg!
Meine anfängliche Skepsis erwies sich bereits nach wenigen Stunden als unbegründet: Design Thinking und Gruppenarbeiten gehen auch digital – mit oder ohne Post-It’s. Die Methode ist definitiv nicht nur im Innovationsbereich hilfreich, sondern sollte aus meiner Sicht in jeglichen Arbeitsgebieten angewendet werden. Ein sehr wertvolles Tool für den Arbeitsalltag. Der Unterrichtstag bewies einmal mehr, dass genügend Abwechslung zwischen Theorie und Praxis den Tag spannender machen. Das Fachwissen von Alessandro Tschabold und die Erfahrungen der anderen Teilnehmer führten zu einem Know-How Feuerwerk. Der Tag war ein voller Erfolg und wir sind weiterhin auf dem richtigen Weg zu #digitalrockstars!
Und wer weiss… vielleicht steht Security@Home bald im App Store zur Verfügung.
UPTO ist eine Alternative zum Autokauf oder Leasing. Wie man es heute von Spotify für die Musik oder von Netflix für Filme kennt, bietet UPTO ein Abo im Bereich der Mobilität an: Fahrzeug auswählen, Kilometer-Paket definieren, erste Rate bezahlen und losfahren.
Das Projekt entstand im Jahre 2017 im Innovationsteam der AXA und startete dazumal unter dem Namen “Rent n’ Share”. Innerhalb von vier Wochen wurde ein funktionierender Pilot mit sieben Fahrzeugen auf die Strasse gebracht. Gut 2.5 Jahre später und vielen Fahrzeugen mehr, ist aus UPTO eine eigene Firma geworden: die AXA Mobility Services AG.
Ich suchte das Gespräch mit dem damaligen Product Owner Karsten Fuhrmann und wollte von ihm hören, was seine Erfahrungen und grössten Herausforderungen während der Reise waren.
Hervorzuheben sei sicherlich die Geschwindigkeit während dem Projekt: “In den vier Wochen haben wir einfach brutal Gas gegeben und uns um gar nichts gekümmert, was rechts und links passiert ist. Wir wollten einfach nur diese sieben Autos auf die Strasse bringen.”.
Was wir von Roman H. Schmid im Unterrichtsblock “Digital Business & Leadership” gelernt haben, bestätigt auch Karsten: Ohne eine moderne und innovationsbereite Kultur kann ein solches Projekt nicht erfolgreich sein. “Und wenn mehrere Firmen mit unterschiedlichen Kulturen zusammenarbeiten, muss umso mehr Zeit in kulturelle Transformation investiert werden”.
Nebst den kulturellen Herausforderungen ist auch das Stakeholder Management ein grosser Aufwandstreiber. “Der MVP-Gedanke sollte bestenfalls bei allen Stakeholdern verankert sein. Es muss viel improvisiert werden, was nicht überall auf Verständnis stösst und Diskussionen mühsam macht. Meiner Meinung nach hat sich das jedoch stark verbessert in den letzten Jahren”
Auf die Frage nach der gewählten Arbeitsmethodik antwortete der damalige Product Owner – wen wunderts – mit: “Design Thinking! Wir sind immer aus der Sicht des Kunden gekommen.”
“Mein Tipp an andere MVP’ler: Just do it. Kümmert euch nicht um die durchgearbeiteten Nächte, die blauen Flecken oder den kurzzeitigen Frust. Es ist geil und macht Spass!” – Karsten Fuhrmann
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