Datenethik: Lästig oder nötig?
Juli 2, 2020
Richtig oder falsch? Das liegt im Auge des Betrachters. Datenethik ist ein Thema, welches polarisiert. Dies haben wir im Unterricht mit Karin Lange (Corporate Foresight Management, die Mobiliar und Expert Group «Data Ethics», Swiss Alliance for Data Intensive Services) immer wieder festgestellt. Schon die Frage, wer die Corona-Tracing-App verwenden wird, spaltete die Klasse – dazu aber später mehr. Wir befassten uns im Unterricht hauptsächlich mit den Berührungspunkten von Big Data und Datenethik. Eine Schnittstelle, die in der Welt der Digitalisierung immer mehr an Bedeutung gewinnt.
Je höher der Grad der Digitalisierung, desto wichtiger wird digitale Ethik. (pwc)
Moral geht auf das lateinische Wort «moralis» zurück. Es heisst so viel wie «die Sitte betreffend». Moral beschreibt hauptsächlich Handlungen, die ein Mensch oder eine Gesellschaft von anderen Mitmenschen erwartet. Es wird unterscheiden zwischen:
Gegenstand von Moral ist beispielsweise das Verbot von Sklaverei oder der Umgang mit Tieren. All das ist historisch und kulturell wandelbar.
Ethik stammt vom griechischen Wort «Ethos». Es heisst soviel wie Charakter oder Sinnesart. Ethik ist im Prinzip die Wissenschaft der Moral und eine Unterdisziplin der Philosophie. Sie untersucht Strukturen, Motivationen und Hintergründe moralischen Handelns. Ausserdem denkt sie über die moralischen Grundsätze der Gesellschaft(en) und die Entstehung von Wertvorstellungen nach.
Beschäftigt man sich mit Ethik und Moral, so stösst man unwiderruflich auf die philosophischen Überlegungen vom deutschen Philosophen Immanuel Kant (1724 – 1804). Im Jahre 1797 stellte er zur Diskussion:
Ist das moralische Gebot, stets die Wahrheit zu sagen, dem Gebot, einem Menschen zu helfen, überzuordnen oder nicht?
Big Data ist einfach erklärt die Speicherung, Verarbeitung und Analyse von enormen Datenmengen. Daten sind das Gold des 21. Jahrhunderts. Sie sind einerseits die neuen Heilsbringer aber bergen andererseits auch Gefahren:
So können beispielsweise Debitoren-Ausfälle verhindert, das Risikomanagement verbessert und die Konditionen eines Angebots individualisiert werden. Mit Daten kann jedoch auch manipuliert werden.
Digitalisierung versus Privatsphäre – in der digitalen Welt geben wir eine Vielzahl an persönlichen Daten preis. Gleichzeitig beschweren wir uns über ungenügenden oder fehlenden Datenschutz. Es besteht ein Widerspruch zwischen der Einstellung und dem Verhalten Privatsphäre gegenüber.
Bezüglich Big Data gibt es diverse ethische Aspekte zu beachten. Wie die folgende Grafik zeigt, stehen zwei Interessen in einem Spannungsfeld:
In der Grafik sind die vier Big Data «V» aufgeführt:
Die ersten Drei stammen vom 3-V-Modell. Dieses veröffentlichte das IT-Beratungs- und Marktforschungsinstitut Gartner im Jahr 2011. Inzwischen wurde dieses Modell um ein weiteres «V» (Veracity) ergänzt. Mittlerweile gibt es auch 5-V-Modelle. In diesen wird zusätzlich «Value» (Wert) aufgeführt. Denn die Kombination der anderen 4-V’s generiert für das Unternehmen einen Mehrwert.
Wir befassten uns im Unterricht mit folgenden Orientierungspunkten:
Solidarität stellt für die Versicherer den wichtigsten Punkt dar. Eine Person darf dann Solidarität beanspruchen, wenn ihre Notsituation nicht selbstverschuldet ist. Bestimmte Ausschlusskriterien tragen das inhärente Risiko von Diskriminierung in sich.
Zu diesem Thema wurde uns folgende Frage gestellt: «Wirst du die Corona-Tracing-App installieren?» Hier das durchaus spannende Resultat:
Es gab klare Meinungen für und gegen die Installation der App. So finden zum Beispiel deren Gegner, dass diese App ihren Zweck nicht erfüllt. Aus ihrer Sicht wurde sie zudem kaum pilotiert. Und sie stellen sich die Frage, wo das Ganze hinführen wird. Den Befürwortern hingegen ist all das egal. Dies weil ihnen die Gesundheit der Bevölkerung wichtiger ist, als der eigene Datenschutz. Wozu ihre Daten verwendet werden, ist für sie zweitrangig. Zudem vertrauen sie dem Staat.
Im Anschluss an die Corona-Tracing-App Diskussion erhielten wir zwei Fallbeispiele und bildeten vier Gruppen. Pro Fallbeispiel gab es je eine Gruppe Produktentwicklung/Marketing und eine, die das Ethik Board mit Kundenvertretung übernahm. Ziel war es, das Argumentarium für einen Pitch vor der Geschäftsleitung zu erstellen. Mit der Frage: «Warum ist das Produkt ethisch unbedenklich bzw. bedenklich?» Die Gruppen fanden sich schnell in ihren Rollen ein und die Resultate wurden intensiv diskutiert. Das Ethik Board wurde – wie im echten Leben – von der Gruppe Produktentwicklung/Marketing als lästig bezeichnet. Somit haben wohl beide Gruppen in ihrem Bereich einen guten Job gemacht.
Digital Responsibility bezieht sich auf die Verantwortung eines Unternehmens in der digitalen Gesellschaft. Übersetzt heisst es «Unternehmerische Digital-Verantwortung». Dies bedeutet eine freiwillige Selbstverpflichtung zum nachhaltigen Wirtschaften von Unternehmen, welche die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen durch die Digitalisierung mitberücksichtigt. Die unternehmerische Digital-Verantwortung ergänzt zudem die Selbstverantwortung in Bezug auf den Klimawandel und den CO2-Abdruck. Digital Responsibility bedeutet einfach gesagt: Unternehmen übernehmen freiwillig Verantwortung für die Auswirkungen der Digitalisierung.
Das Gesetz ist Pflicht und Ethik die Kür. Gemäss einer kurzen Umfrage in der Klasse führen die wenigsten Firmen ein Ethik Board. «Compliant» zu sein wird in Zukunft aber vermutlich nicht mehr reichen.
Über Datenethik kann endlos lange diskutiert werden. Die Argumente beider Seiten in Bezug auf Ethik-Fragen sind richtig. Vieles ist Ansichtssache. Unternehmen müssen ihre ethische Position finden. Dazu müssen die Einflussfaktoren wie Gesetze, Technologien, Unternehmensziele und die Gesellschaft miteinbezogen werden. Die Schnittstelle der folgenden vier Fragen muss identifiziert werden:
Versicherer haben grundsätzlich gute Chancen Vertrauens-Partner von Daten zu werden. Es kann demzufolge zukünftig besonders wichtig werden, ethisch zu sein, damit man das Vertrauen der Gesellschaft gewinnen kann.
Herzlichen Dank an Karin Lange für den spannenden Nachmittag!
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