Institute for Digital Business

Daniela Landherr: Leadership Skills für unsere digitale Zukunft

August 1, 2021

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Text: Sandra-Stella Triebl | Bild: Rita Palanikumar
Folgender Beitrag ist als Erstpublikation im Ladies Drive Magazin erschienen. 


Ladies Drive: Was sind deine Erfahrungen im Bezug auf Frauen, die an der HWZ diesen EMBA machen? Was sind die Beweggründe für diese Weiterbildung, und was ist deine Mission als eine der Lehrgangsleiter*innen?

Daniela Landherr: Es gibt Frauen, die sagen: Die Zukunft ist da, sie ist heute, ich steige jetzt in die Zukunft ein, und ich investiere in mich und mein Weiterkommen. Ich erlebe viele Frauen, die sich ihre Karriere erarbeiten oder erkämpfen mussten – und deshalb machen sie nun so eine Weiterbildung, die sie häufig auch aus der eigenen Tasche, und das sind immerhin rund 50’000 Franken, zahlen. Ich erlebe sehr starke Frauen in unseren Modulen, die ich als inspirierende Vorbilder empfinde. Und genau diese Vorbilder brauchen wir, um Innovation in Führungsmethoden voranzutreiben. Wir brauchen sie als Führungskräfte der Zukunft, aber auch, um schon erfolgreiche Frauen mit dem nötigen Rüstzeug für eine gesunde Karriere auszustatten, die möglichst eine nachhaltige Wirkung erzeugen soll. Denn meine Mission ist es, diesen Frauen die besten Grundlagen dafür an die Hand zu geben, um inspirierende und nachhaltige Führungspersönlichkeiten zu werden: sustainable and inclusive leadership. Ein riesengrosses Thema!

Aber ich möchte den Frauen auch zeigen, wie sie das Thema Diversität und Inklusion als Leaderinnen anpacken können. Frauen in der Führung sind immer Rollenvorbilder – weil sie exponiert sind. Man kann sich also nur noch entscheiden, welche Art von Vorbild man sein möchte. Genau. Und gerade für die nächsten Generationen ist es wichtig, dass wir jungen Frauen und Männern zeigen können, wie sie Karriere und Beruf vereinen können, ohne auszubrennen. Ich erlebe in ganz vielen Diskussionen mit jungen Frauen, dass diese Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf nach wie vor unter den Nägeln brennt. Ich beobachte immer noch viele Branchen und Firmen, wo es einfach nach wie vor für Frauen und Männer schwierig ist, beides zu vereinen, und Vorurteile unser soziales Verhalten beeinflussen und einen Fortschritt verlangsamen.

Ladies Drive: Was sollten wir tun, um mal mit der Machete durch den Dschungel der Konventionen zu schreiten? Was können Frauen, die visibler sind – so wie du und ich –, tun?

Daniela Landherr: Ganz ehrlich – diese Mission kann ganz schön ermüdend sein. Wer Teil einer Minderheit ist, kennt dieses Gefühl bestimmt, und doch, wir dürfen nicht aufhören, immer wieder auf Missstände und unbewusste Rollenstereotype hinzuweisen und unsere Stimme zu erheben. Das kann man auch ohne jegliche Aggression tun – wichtig ist, dass man es tut. Und: Es ist wichtig, dass Frauen wie du und ich erzählen, wie wir es machen – ganz offen und ehrlich, ohne etwas zu beschönigen. Vorbilder sind ja oft keine „Superwomen“, sondern Frauen von nebenan. Es ist wichtig, unsere Geschichten zu erzählen, inklusive den Hürden, die wir oft zusätzlich zu bewältigen haben. Denn ein vielfältiges Team ist bis zu sechsmal innovativer, die Geschichten dahinter werden jedoch oft nicht erzählt. Wir sollten mehr davon berichten, wie man eine gesunde und nachhaltige Karriere beschreiten kann. Es ist okay, Familie haben zu wollen und gleichzeitig eine erfolgreiche, nachhaltige Karriere anzustreben. Dazu benötigt man Fokus. Mir ist zum Beispiel sehr wichtig, dass ich in meinem 100-Prozent-Job, dem Unterrichten, dem Mutter- und Ehefrau-Sein alles tue, um meiner Vision treu zu bleiben und nicht den Fokus zu verlieren. Und so können wir das hinkriegen, wenn wir wollen.

Ladies Drive: Du bist in vieler Hinsicht ein wundervolles Vorbild – aber mehr Diversität und Inklusion, mehr Teilhabe beider Geschlechter, mehr Freiheiten, was seinen persönlichen Weg angeht, das erreichen wir nur, wenn wir die Männer auch ins Boot kriegen.

Daniela Landherr: Ja, unbedingt. Ich war vor Kurzem an der Baylor University in Texas im Panel zum Thema Diversity, Equity & Inclusion. Da haben Studierende auch gefragt: „Helfen denn die Männer mit, wenn es um Anliegen im Bereich Diversität geht?“ Ich finde das eine spannende Frage. Gemäss meiner Erfahrung sehe ich immer mehr Männer, die sagen, „Wir brauchen Diversity“, ich sehe das auch bei meinen Mandaten. Und wenn ich frage: „Wie sieht eure Pipeline aus, wenn ihr Executive Search macht?“, kommt leider noch zu oft die Antwort: „Auf dieser Ebene gibt’s einfach nicht so viele qualifizierte Frauen.“ Darum hätten sie eben nur Männer angestellt. Das kann man aber nicht tolerieren als Antwort. Die Krux ist: Wie viele Senior-Frauen gibt es, die das Thema pushen können? Wir sind nicht so wahnsinnig viele, wenn wir das Geschlechterverhältnis im Topmanagement anschauen.

Männer dominieren in den Chefetagen nach wie vor. Und ich höre noch immer viele Storys von Frauen, die sich aktiv für mehr Geschlechterparität einsetzen und dann ganz sanft rausgemobbt werden. Diese Geschichten gibt es nach wie vor, und sie machen mich nachdenklich. Deshalb finde ich es umso wichtiger, dass Frauen sich weiterbilden und sich für Innovation in Unternehmen einsetzen.

Ladies Drive: Das glaub ich dir aufs Wort. Gerade weil es in der Wirtschaft eine Realität ist, müssen wir die Männer an Bord holen, wenn wir mehr Diversität wollen.

Daniela Landherr: Ein „Inclusive Work Place“ ist 21 Prozent profitabler, kreiert 76 Prozent mehr Engagement. Es gibt unzählige Studien zu Diversität und Inklusion und weshalb sie wichtig sind in den Unternehmen, egal ob klein oder gross, und besonders jetzt, in einem virtuelleren oder hybriden Arbeitsumfeld. Du hast recht. Mehr Chancengleichheit können wir über mehr Solidarität unter Frauen erreichen, aber wir brauchen ein einvernehmliches Verhältnis zu den Männern an der Spitze der Macht. Dies gilt nicht nur für Frauen. Menschen, die viel Macht besitzen, werden sich schwertun, ihre Privilegien zu teilen. Ich betreue mitunter auch Firmen und berate sie hinsichtlich Diversity, Equity & Inclusion. Das Thema ist in aller Munde und ein riesiger Hype. Man holt mich in die Geschäftsleitung, sagt mir, es brauche mehr Diversität; und wenn ich frage, weshalb denn, kommt als Antwort: „Die Shareholder verlangen das.“ Es gibt Firmen, die wollen hinter das Thema einfach einen Haken setzen oder eine vorgeschriebene Quote erreichen, aber wissen nicht wirklich, wieso sie das tun und wie sie damit ihre Firmenkultur transformieren und die Firma attraktiv für die Zukunft machen. Denn: Eine starke Frau mit guter Bildung kann sich heute gut aussuchen, wo sie arbeiten möchte, und die Firmenkultur ist dabei ein entscheidender Faktor. Deshalb: Männer mit viel Macht müssen erst bereit sein, gewisse Privilegien mit Minderheiten zu teilen. So wie weisse Menschen bereit sein müssen, ihre Privilegien zum Beispiel mit People of Color zu teilen. Auch da sehen wir ein starkes Wachstum und ein Movement. Aber eben nicht alle sind dazu bereit.

Das Wort „Quote“ will abgesehen davon keiner mehr hören, und in Zeiten von Corona sowieso nicht. Es gibt eine Studie, die aufzeigt, dass während des letzten Jahres mit Covid-19 in rund 70 Prozent der Fälle Diversity & Inclusion-Programme wieder zurückgefahren wurden, weil sie nicht zum „core business“ gehören. Dabei sollte es eine Top-Priorität sein, damit sich ein Unternehmen auch für die Zukunft attraktiv macht und Innovation vorantreiben kann.


Daniela Landherr ist Head of Talent Engagement bei Google EMEA, Verfechterin von Diversity, Equity & Inclusion, Keynote-Speakerin, Executive Coach und Leiterin eines Moduls des EMBA an der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich zum Thema „Leadership & Culture“ – und eine faszinierende Persönlichkeit. Eine Frau, die sich zum Ziel gesetzt hat, Arbeitskultur so zu transformieren, dass Mitarbeitende wachsen und engagiert Innovation vorantreiben. Und die 40-Jährige ist jemand, die ihr Wissen teilen möchte – so wie eben am EMBA in Digital Leadership.

Daniela Landherr,
EMBA Modulleiterin


Ladies Drive: Absolut. Ich rate Unternehmen immer, dass sie Diversity & Inclusion bloss nicht so nennen sollen. Und dass sie es als Teil der Innovation, aber auch als Risikominimierungsinstrument ansehen sollen. Dann wird es Teil des Business. Und wenn man diesen Bereich stattdessen „Business Excellence“ nennt, hat man plötzlich auch das Topmanagement hinter sich. Sometimes you have to play it smart!

Daniela Landherr: Es gibt das Zitat „If two people have the same opinion, there is one too many“. Diversität im Unternehmen bringt dir auch eine Diversität an Meinungen, an Lösungsvorschlägen und Ideen. Und gut ausgebildete Frauen sind das, was wir dringend brauchen. So schliesst sich der Kreis unserer Diskussion wieder.

Es ist wichtig, dass wir mehr Frauen in den EMBA in Digital Leadership der HWZ reinholen können, dass wir auch in diesen Lehrgängen mehr Diversität antreffen. Ich möchte diese Frauen in starken Führungspositionen sehen, an der Seite von anderen Minderheiten sowie an der Seite von Männern, die diese Stärke haben, sich für echte Diversität einzusetzen. Das würde mich mit grossem Stolz erfüllen. Das ist auch Teil meiner Mission. Ich wünsche mir mehr Frauen in diesen Lehrgängen. Nicht, damit wir als Frauengruppe lauter sein können, sondern weil wir dann gemeinsam daran arbeiten können, über Wissen und Bildung ein Bewusstsein für das Thema zu schaffen und in Unternehmen bahnbrechende Innovation voranzutreiben.

Ich möchte die Führungskräfte, die wir unterrichten, befähigen, dass sie auch hinsichtlich Diversity, Equity & Inclusion fit sind und dies als Leader*innen wiederum in ihre Unternehmen und Organisationen tragen können. Wir sind in der Schweiz zwar das Innovationsland Nummer eins – aber ich sehe die Innovationsfähigkeit in Gefahr, wenn wir uns nicht darauf fokussieren, wie wir innovativ mit Menschen, mit Mitarbeitenden umgehen. Denn das ist die Zukunft: People make the business – Every business is a people business. Wenn wir die Leute beispielsweise nicht im Unternehmen behalten können, weil wir nicht die Kultur haben dafür, wenn sich Leute nicht unterstützt und anerkannt fühlen, wenn Mitarbeitende nicht ihre Stimme beitragen können, ohne Angst haben zu müssen, dafür bestraft zu werden, dann kann Innovation nicht vorangetrieben werden.

Ladies Drive: Wenn dieses Interview jemand liest – wieso sollte er oder sie einen solchen Executive MBA beispielsweise im Bereich Digital Leadership machen oder sich generell weiterbilden?

Daniela Landherr: Wir wissen, die Zukunft wird digitaler. Die Firma Upwork prognostiziert, dass bis 2028 gut und gerne 73 Prozent aller Abteilungen ihre Mitarbeitenden im Homeoffice beschäftigen werden. Für diese Zukunft braucht es nicht nur Technologie, sondern einen Kulturwandel, der ihnen ein Zugehörigkeitsgefühl vermitteln kann. Die Zukunft als Leader*in bedeutet also, dass du nicht nur eine gute Ausbildung brauchst, sondern die Fähigkeit
besitzen musst, dein Team zu begeistern, auch über Distanz, oder in hybrider Form. Ich muss als Führungskraft in der Lage sein, das Beste aus meinen Leuten rauszuholen. Das ist die Aufgabe einer Führungskraft.

Ladies Drive: Potenzialentfaltung!

Daniela Landherr: Genau. Und eben all dies lernt man in so einer Ausbildung, wie es die HWZ anbietet. Frauen haben ein sehr natürliches Verständnis für die neuen Leadership Skills der Zukunft – wir brauchen ihnen nur noch das richtige Rüstzeug zu geben, und sie werden das rocken. Wir diskutieren also auch Fragen wie diese: Wie gestalte ich ein Team, das effizient und produktiv ist? Wie kreiere ich eine Arbeitskultur, in der wir uns psychologisch sicher fühlen, an Ideen spinnen können und uns darauf freuen, diese am nächsten Tag umzusetzen? Das ist auch gemeint mit der digitalen Zukunft. Es geht nicht nur darum, ob man Zoom bedienen oder etwas in der Cloud speichern kann. Sondern darum, wie man in einem digitalen Umfeld führt, wo man ja ein Stück an direkter Kontrolle verliert. Dies ist unsere Zeit.

Ladies Drive: Aber es ist ein Grossteil Selbstverantwortung. Man muss sich selbst bewegen, einen eigenen Drive entwickeln. Man darf nicht erwarten, dass jemand uns abholt und an die Uni trägt.

Daniela Landherr: Absolut richtig. Wir dürfen nicht warten, bis der Chef kommt und sagt: „Du bist super, ich bezahle dir jetzt deine Education. Mach das doch, bitte.“ Für mich ist das Teil einer Berufung, einer Selbstliebe und Selbstverantwortung. Und was ich betonen möchte, ist: Die Veränderung der Gesellschaft hat begonnen, und wir tun gut daran, unsere Talente zu schmieden, damit wir ein wesentlicher Treiber dieser Transformation werden können. Den Mut für die Neugierde, die Sachen anders zu machen. Das müssen wir entwickeln!


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