Institute for Digital Business

Cyberdefence und Modern Warfare

April 6, 2019

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Aus dem Unterricht des CAS Digital Risk Management mit Thomas Bögli berichten Roman Häuptli und Michael Bommer.

Heute erwartet uns das Thema Cyber-Defence und Modern Warfare. Thomas Bögli, der Leiter Cyber-Defence der Schweizer Armee, gibt uns an diesem Tag Einblicke in die Welt der digitalen Kriegsführung und Verteidigung.

Einleitung und Grundlagen

Der Dozent nennt folgende Ziele für den heutigen Tag:

  • Die Studenten kennen die aktuellen Trends und der damit verbundenen Herausforderungen im Cyber-Raum.
  • Die Studenten kennen die Bedrohungen aus dem Cyberraum und deren Einfluss auf die Gesellschaft, die Unternehmen und die kritischen Infrastrukturen (z.B. Energie oder Logistik Unternehmen).
  • Die Studenten kennen die Initiativen der Politik der Armee im Cyber-Bereich.
  • Die Studenten können die Cyber-Risiken in Ihrem eigenen Verantwortungsbereich durch geeignete Massnahmen selbständig reduzieren.

Die erste im Plenum gestellte Frage lautet wie folgt:

Warum ist Schutz so wichtig?

Antwort:

Aus jeder schlecht geschützten Infrastruktur kann eine Cyber-Waffe entstehen. Überspitzt formuliert: der Eigentümer von schlecht geschützter Infrastruktur ist wie ein Waffenhändler.

Zu Beginn wird dargestellt was die Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) in unserer Welt verändert hat:

  • Früher mündliche oder briefliche Kommunikation findet heute oft über E-Mail statt.
  • Statt ins Ladengeschäft zu gehen, nutzt man heute E-Commerce.
  • Zur Aus- und Weiter-Bildung werden vermehrt E-Books verwendet.
  • Wahlen und Abstimmung könnten über E-Voting erfolgen. Wenn da das leidige Thema «Hacking» nicht immer wieder ausbremsen würde.
  • Bankgeschäfte wie z.B. Einzahlungen werden vermehrt über E-Banking- Portale abgewickelt. Klassische Einzahlungen mit Bargeld werden selten.
  • Verwaltungen (Bund, Kantone, Gemeinden) bieten ihre Dienstleistungen heute oft elektronisch 7×24 an, was gemeinhin als E-Government bezeichnet wird.

Die folgende Grafik stellt sehr anschaulich dar, welche verschiedenen Dienste seit Erscheinen des ersten Smartphones mittlerweile in einem solchen Gerät verschmelzen.

Hier ist zu ergänzen, dass Ortungsfunktionen bei Smartphones für das Militär problematisch sein können. Über Ortungsdaten ist es möglich, das Sicherheitsdispositiv z.B. bei einem World Economic Forum (WEF) zu erkennen und gezielte Angriffe durchzuführen. In kritischen Situationen wie dem Transport der VIPs zum WEF werden deshalb Störsender sogenannte Jammer verwendet, so dass keine Mobile-Kommunikation möglich ist.

Die Digitalisierungs-Spirale dreht sich aber immer weiter und schneller. Heute trägt man vermehrt Wearables (intelligente Uhren oder Brillen), lässt sich RFID-Chips implementieren oder überwacht den Gesundheitszustand über smarte Pflaster. Neue Autos sind grundsätzlich vernetzt; 37% aller Autokäufer würden für ein besser vernetztes Auto die Marke wechseln. Auch bei Häusern oder Einrichtungsgegenständen geht der Trend klar in Richtung Vernetzung. Alles wird über kurz oder lang digitalisiert. Verbindung ins Internet zu haben und damit ständig online zu sein, wird über zu einem menschlichen Grundbedürfnis wie Essen, Trinken oder Schlafen.

Drohnen sind aus Sicht des Militärs eine ernsthafte Bedrohung. Massnahmen dagegen sind:

  • Jammen/Störung von Fernsteuerung oder GPS: funktioniert jedoch nicht so gut.
  • Das Zerstören der Drohne ist kein guter Plan, weil die Drohne chemische Kampfstoffe oder Sprengstoff transportieren könnte.
  • Als effizienteste Massnahme hat sich in der Praxis der Ansatz die «Drohne zu entführen» gezeigt.

Digitale Disruption

Bemerkenswert ist die Disruption, die von digitalen Unternehmen ausgeht:

  • Das weltgrösste Taxiunternehmen besitzt keine Taxis (Uber).
  • Der weltgrösste Unterkunftsanbieter besitzt keine Immobilien (AirBnB).
  • Die weltgrösste Telefongesellschaft besitzt kein Telefonnetz (WhatsApp).
  • Der weltgrösste Medieninhaber produziert keine Inhalte (Facebook).
  • Der weltgrösste Filminhaber besitzt keine Kinos (Netflix).
  • Die weltgrössten Softwareverkäufer schreiben keine/wenig Apps (Apple und Google).
  • Die weltgrösste Personalrekrutierungs-Agentur besitzt keine Büros (Linkedin).

Digitale Souveränität

  • JEDES der digital-lastigen Unternehmen Google, Apple, Facebook, Amazon und Microsoft macht jährlich mehr Umsatz als die Automobilhersteller Daimler, Volkswagen, BMW und Tesla ZUSAMMEN!
  • 99% der Weltbevölkerung besitzt ein Smartphone. Pro Jahr werden 2 Mia. Smartphones verkauft. Insgesamt sind weltweit 40 Mia. Geräte im Einsatz resp. am Netz.

Den einleitenden Teil beschliesst der Dozent mit einem bemerkenswerten Zitat von Lino Guzella, ETH Zürich aus dem Jahr 2017:

«Auf diesem Planeten Erde wächst im Moment ein Nervensystem. Wir werden zu einem multizellulären Organismus.»

Digitalisierung im Militär, moderne Kriegsführung

Die Nutzung von digitaler Intelligenz führt dazu, dass Kriegsverläufte aufgrund historischer Daten vorbestimmt werden können. Der Krieg verlagert sich mehr und mehr in den Cyberraum. Traditionelle Kampfformen werden durch den sogenannten Cyber-War ersetzt, ohne dass die kämpfenden Truppen räumlich nahe beieinander sein müssten. Folgende Bereiche sind hier relevant:

Aufgrund von globalen Trends (Übergang zu einer multipolaren Weltordnung, Ausbreitung von Wohlstand und Technologie, Anhaltende Krisen, Umbrüche und Instabilität, Migrationsbewegungen, Weiterentwicklung des Konfliktbildes) gewinnen folgende Bedrohungen an Relevanz: Illegale Beschaffung und Manipulation von Informationen, Terrorismus und Gewaltextremismus, Kriminalität (z.B. Ransomware) und Versorgungsstörungen (Blackout). Manipulationen von Informationen werden dabei zunehmend zu einem Problem für Journalismus und Nachrichtendienste. Abhilfe kann hier digitale Intelligenz bringen, indem diese zur Prüfung genutzt wird, ob es sich um Fake-News handelt oder nicht.

Bemerkenswert: China kennt keine Datenschutz-Gesetzte. Darum wird China mit hoher Wahrscheinlichkeit in Zukunft zur Nr. 1 bezüglich künstlicher Intelligenz.

Neben dem Aufbau von Cyber-Kommandos in verschiedenen Staaten (China soll über 100’000 Cyber-Soldaten beschäftigen!) hat die NATO den Cyber 2016 ebenfalls als Kriegsraum anerkannt und entwickelt aktuell eine Strategie für die hybride Kriegsführung. Die Vergeltung von Anschlägen kann heikel sein, da im Cyber-Krieg nicht immer genau gesagt werden kann, wer tatsächlich angegriffen hat. Die Schweizer Armee arbeitet relativ eng mit ausländischen Nachrichtendiensten zusammen (dies im Gegensatz zum FEDPOL). Zusammengefasst ist es legitim, von einem «Krieg 4.0» mit folgenden Eigenschaften zu sprechen:

  • uneingeschränkte Kriegsführung in allen Operationssphären
  • Dezentralisierter Ansatz, keine definierbaren Fronten
  • Staatliche und nichtstaatliche Akteure
  • Ziel: Gesellschaft erschöpfen
  • Unbemannt und unerkannt (bspw. Mittels Drohnen)
  • Strahlenwaffen, z.B. EMP (Electromagnetic Pulse)
  • Wirtschaftsspionage im grossen Stil
  • Störung kritischer Infrastruktur
  • Finanzielles Kriegsführen

Aktuell ist eine extrem hohe Cyber-Verletzlichkeit zu verzeichnen, insbesondere im Bereich der kritischen Infrastrukturen wie Energie, Kommunikation, Logistik und Verkehr. Es wird eine Vervielfachung der Angriffe registriert, die gleichzeitig komplexer, intensiver, permanenter und professioneller werden. Ihre Detektion ist und bleibt schwierig.

«Der Faktor Mensch bzw. sein persönliches Verhalten bleibt eine Herausforderung!»

Durch die Anonymität im Cyber-Raum sinken die Hemmungen für Angriffe. Somit steigen die Risiken, gerade auch durch die Explosion der Vernetzung und der damit verbundenen Zunahme von Schwachstellen (z.B. IoT). Das Delta zwischen Risiken/Bedrohungen und Massnahmen vergrössert sich. Als Konsequenz müssen Staaten und Unternehmen künftig bereit sein, mehr im Cyber-Bereich zu investieren. Für Unternehmen ist es wichtig zu verstehen, dass auch (eigentlich durchaus vertraute) Partner und Lieferanten (bspw. Ruag) Risiken darstellen können.

Trends im Bereich Cyber-Security

Thomas Bögli nennt für das laufende Jahr 2019 folgende Trends im Bereich Cyber-Security: Datenschutz, Social Engineering, “Shadow IT” (Systeme die ausserhalb der offiziellen Unternehmens-IT laufen), vernetzte Industrie mit IoT, Übersetzung Fachspezialist-Führung, Kryptomining bzw. Blockchain, Artificial Intelligence, Cloud Security sowie State Attacks. Quelle dieser Angaben ist der TÜV-Süd.

Die Operationsräume, der Cyber-Raum und damit verbundene Begriffe

Im Gegensatz zu den Operationsräumen in klassischen Kriegen ist der Cyber-Raum übergreifend, was seine Beherrschung umso schwerer macht.

Der Cyber-Raum besteht aus den folgenden Elementen:

Entscheidend für Cyber-Angriffe sind die Akteure und deren soziale Interaktion.

Vorgehen eines Cyber-Angriffes (Kill Chain)

Der Dozent stellt anhand des Vergleichs mit einem klassischen Einbruch in ein Haus ausgesprochen anschaulich dar, wie ein Cyber-Angriff abläuft:

Damit verbunden sind folgende Akteure, Bedrohungskategorien und Fähigkeiten:

Das Profil eines Cyber-Angriffs wird immer in Kontext gesetzt zu den Skills, die für den Angriff nötig waren/sind. Beispiele:

  • Vandalismus >> Webseite hacken/verunstalten
  • Aktivismus >> Schwachstellen leaken
  • Kriminalität >> Geld verdienen
  • Terrorismus >> Menschenleben gefährden (Auto fernsteuern, in Menschenmenge fahren lassen)
  • Konflikt bewaffnet >> kann alles sein

CIA-Prinzip

Die Effekte aus diesen Bedrohungen orientieren sich am CIA-Prinzip:

  • C-onfidentiality: Beschaffung/Diebstahl (von Daten). Folgen: Wirtschaftlicher Schaden, Imageschaden.
  • I-ntegrity: Täuschung oder Verfälschung. Folgen: Funktionsstörungen, Fehlfunktion / Ausfall von Systemen, Prozessen etc.
  • A-vailability: Störung, Neutralisierung, Zerstörung. Folgen: Funktionsverlust, Ausfall von Business-Prozessen, Infrastruktur etc.
  • Zwei Beispiele: Bei einer DDOS-Attacke wird die Verfügbarkeit vermindert, bei einer Verfälschung des Bankkontostand die Integrität.

Der Dozent erörtert anhand einiger Beispiele, wie Cyber-Kriminalität ablaufen kann. Bspw. DDoS über Webcams, , Ransomware, Cyber-Sabotage, SCADA / ICS. Unter Supervisory Control and Data Acquisition (SCADA) versteht man das Überwachen und Steuern technische Prozesse mittels eines Computer-Systems. ICS steht für Industrial Control System. Hier relevant sind sog. indirekte Angriffe: Es ist z.B. einfacher, ein Tor zu hacken als das Flugzeug, der durch das Tor rollen muss. Ein anderes Beispiel dafür ist die Manipulation der Kühlung eines Rechners, so dass der Rechner überhitzt und von sich aus herunterfährt, weil die Temperatur zu hoch wird.

Die Herausforderungen bezüglich der Abwehr von Cyber-Angriffen sind:

  • Ein umfassendes BCM (Business Continuity Management) gegen den Verlust der Verfügbarkeit einer Organisation vorzubereiten.
  • Umfassende Verschlüsselung der Daten einer Organisation gegen den Verlust der Vertraulichkeit umzusetzen.
  • Umfassende Nachvollziehbarkeit gegen den Verlust der Integrität sicherzustellen.
  • Umfassende Ausbildung und Sensibilisierung des Menschen umzusetzen.

Merke: Im Cyber-Raum gibt es keine Risiko-Verhinderung, sondern nur -Minderung.

Cyber-Strategie der Schweiz und der Armee

Aufgrund einer Motion im Parlament entsteht derzeit ein Cyber-Security-Kompetenzzentrum auf Stufe Bund. Folgende Organisation ist geplant:

Der Mr. Cyber resp. die Ms. Cyber wird aktuell noch gesucht, Interessierte können sich beim Bund bewerben! Es winken CHF 250’000.- Jahreslohn.

Die Armee ist im Cyber-Dispositiv wie folgt positioniert:

Die sogenannte Cyber-Doktrin kennt folgende Hauptbegriffe:

  • Betrieb: Hier geht es vor allem um Cyber-Schutz. Umfasst alle Massnahmen zur Wahrung der Unversehrtheit gegenüber der Cyber-Bedrohung.
  • Cyber-Kriegsführung (CKF): Umfasst 1. Abwehr und 2. Aktionen im Cyber-Raum im Rahmen einer Operation. Beide Bereiche bestehen aus den Disziplinen Verteidigung, Aufklärung und Angriff.

Sehr begrüssenswert erscheint den Verfassern dieses Blog-Eintrags der mit der Sommer-RS 2018 gestartete Pilot-Lehrgang einer «Art Cyber-Rekrutenschule». Während 40 Wochen resp. in rund 800 Ausbildungsstunden werden geeignete Kandidaten auf die Spezialitäten der elektronischen Kriegführungsschule 64 getrimmt. In den nächsten 3 Jahren sollen 70 Spezialisten resp. in den nächsten 8 Jahren 200 Fachleute ausgebildet werden. Folgende drei Ausbildungsrichtungen existieren:

Ein entsprechender Bericht des Schweizer Fernsehens ist hier einsehbar.

Social Engineering

Einige Schlagworte zu diesem Thema:

«Amateure hacken Systeme, Profis hacken Menschen!»

Bruce Schneier …… Sie sind nicht das Primärziel, sondern die «passage Obligé!»

…. «Soziale Medien sind das Paradies für die Angreifer! »….

7 Goldene Regeln

Anhand von Fallstudien resp. eines gelungenen Fallblattes der Armee werden verschiedene Fehlverhalten identifiziert. Folgende goldenen Regel zur Minderung von digitalen Risiken sind jederzeit zu beachten:

Im Militär-Betrieb gilt für den Umgang mit sozialen Medien das TOZZA-Prinzip:

  • Truppe: keine Namen, Einteilungen, Funktion, Rolle
  • Ort: keine Ortsangaben (Metadaten, Adressen)
  • Zeit: keine Datum- und Zeitangaben
  • Zahlen: keine Grössen, Mengen, Preise
  • Auftrag: kein Ziel, Auftrag, Einsatz

Im privaten Umfeld sind folgende zusätzlichen Empfehlungen zu beachten:

  • Betriebssysteme und Apps zeitnah bzw. regelmässig updaten
  • Mehrfach-Authentifizierung bei Logins anstreben
  • Gut verschlüsselte Messenger verwenden (Beispiel Threema, Signal)
  • Starke Passwörter (>8) und periodischer Wechsel
  • Cloud-Dienste mit Datenspeicherung in der CH bevorzugen
  • Social Media Anfragen vor der Zusage mit Rückfragetest prüfen
  • Mobiletelefone im Flughafen-Areal in Flugmodus versetzen (IMSI Catcher), VPN verwenden

«Generell ein bisschen paranoid schadet nicht»

Zusammenfassung und Abschluss

  • Cyber-Strategie auch im Unternehmen aufbauen
  • Risikobasierter Ansatz für Massnahmen umsetzen
  • Cyber Netzwerk aufbauen/pflegen
  • Schwachstelle Mensch reduzieren
  • Management Attention ist entscheidend
  • Für B5 Angreifer Restrisiken akzeptieren
  • IoT-Entwicklung aufmerksam beobachten
  • Permanente Weiterentwicklung und Weiterbildung ist notwendig

Als zugegebenermassen etwas nachdenklich stimmendes Schlusswort dient folgende Frage:

Wir beenden den durchaus gelungenen und spannenden Tag mit dem Schlussfazit: Der Digital Risk Manager hat eine grosse Zukunft vor sich!

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