Auch online gelten Gesetze – nur welche?
Oktober 25, 2019
Klaus ist ein einfacher Kleiderhändler aus Winterthur. Er betreibt einen dubiosen Onlineshop namens “Chanell.ch”. Eines Tages fotografiert er in Zürich durch ein Wohnungsfenster eine ihm unbekannte Frau mit rotem Kleid, die gerade ein Selfie von sich selber macht. Anschliessend postet er das Bild inklusive einem Chanel-Logo aus der Google-Bildersuche auf seinem Businessprofil bei Facebook und Twitter. Als Text schreibt er: “Neuste Chanel-Kleider aus Italien soeben eingetroffen. Lisa (25) aus Zürich ist begeistert! Willst du auch so ein Kleid? Mach bei der Verlosung mit. Teile diesen Beitrag und markiere deine beste Freundin.” In seinem Onlineshop Chanell gibt es von der Farbe her ein ähnliches Modell – das wäre es dann aber auch mit der Ähnlichkeit. Welche Rechte greifen hier?
Klaus darf nicht einfach fremde Leute in ihrer Wohnung fotografieren. Grundsätzlich ist jeder Eingriff in die Persönlichkeit einer natürlichen oder juristischen Person widerrechtlich, sofern kein Rechtfertigungsgrund vorliegt.
Art. 28 ZGB:
1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen.
Lisa hat ein Recht auf Achtung ihrer Privatsphäre (siehe Drei-Sphärentheorie). Ausserdem hat sie das Recht am eigenen Bild. Eine Rechtfertigung der Persönlichkeitsverletzung ist gemäss Art. 28 ZGB Absatz 2 nur möglich durch
Da Lisa aber keine Einwilligung gegeben hat, keine Person der Zeitgeschichte ist und sie ohne ihr Wissen in ihrer privaten Wohnung fotografiert wurde, könnte sie gegen Klaus gemäss Art. 28a ZGB (Unterlassungsanspruch, Beseitigungsanspruch, Feststellungsanspruch) und Art. 179 ff. StGB wegen Verletzung des Geheim- oder Privatbereichs durch Aufnahmegeräte klagen. Zusätzlich zu diesen Rechtsbehelfen können Schadenersatz, Genugtuung und Gewinnherausgabe gestellt werden, sofern die Umstände derart gravierend sind.
Die Frau heisst tatsächlich Lisa. Sie hat ihr Selfie auf ihr öffentliches Profil bei Instagram hochgeladen. In Ihrer Biografie steht ihr vollständiger Name, das Alter und der Wohnort. Für Klaus war es ein Leichtes, das Foto über den Hashtag #zürich zu finden. Da er diese Daten ohne Zustimmung von Lisa verwendet, macht er sich strafbar.
Das Datenschutzgesetz ist Teil des Persönlichkeitsrechts. Die rechtlichen Grundlagen basieren auf dem Datenschutzgesetz (DSG) und unter Umständen der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).
Klaus verwendete Personendaten. Aber was sind Personendaten überhaupt? Dazu gehören alle Informationen, die sich auf eine bestimmte oder bestimmbare Person beziehen. Das sind zum Beispiel:
Das DSG ist bei jeglichem Bearbeiten von Personendaten anwendbar. Ausserdem dürfen Daten nur für einen bestimmten Zweck verwendet bzw. zur Verfügung gestellt werden.
Art. 3 DSG:
e Bearbeiten: jeder Umgang mit Personendaten, unabhängig von den angewandten Mitteln und Verfahren, insbesondere das Beschaffen, Aufbewahren, Verwenden, Umarbeiten, Bekanntgeben, Archivieren oder Vernichten der DatenArt. 4 DSG:
3 Personendaten dürfen nur zu dem Zweck bearbeitet werden, der bei der Beschaffung angegeben wurde, aus den Umständen ersichtlich oder gesetzlich vorgesehen ist.
Mit der Verwendung des Chanel-Logos auf dem geposteten Bild verstösst Klaus gegen das Urheberrecht. Chanel wird wohl keine Freude haben, wenn mit ihrem Logo billige Lumpen beworben werden. Das Urheberrecht wird im Bundesgesetz über das Urheberrechtsgesetz URG geregelt.
Wogegen schützen Urheberrechte?
Grundsätzlich sind ohne Zustimmung des Rechteinhabers verboten:
Es gibt aber auch Ausnahmen (wie z.B. zum Privatgebrauch, Zitatrecht etc.).
Klaus preist das rote Kleid als Chanel-Kleid an, was es in Wirklichkeit gar nicht ist. Nebenbei müsste man seinen Onlineshop mit dem Namen Chanell und die Produktbezeichnungen überprüfen. Ausserdem knüpft er beim vermeintlichen Gewinnspiel den Gewinn an die Bedingung, dass der Beitrag geteilt und Freunde markiert werden müssen. Er verstösst somit gegen das Lauterkeitsrecht und gegen die Richtlinien von Facebook.
Das Lauterkeitsrecht ist grösstenteils im Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb UWG geregelt. Die Grundsätze zum Werberecht finden sich ausserdem in der Lauterkeitskommission.
Art. 2 UWG
Unlauter und widerrechtlich ist jedes täuschende oder in anderer Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossende Verhalten oder Geschäftsgebaren, welches das Verhältnis zwischen Mitbewerben oder zwischen Anbietern und Abnehmern beeinflusst.
Wahrscheinlich hat Klaus noch gegen andere Gesetze verstossen. Wichtig ist zu beachten, dass es meistens immer auf die Situation und die Umstände ankommt.
Das Schweizer Recht gilt übrigens nicht immer. Beim Urheber- und Persönlichkeitsrecht gilt das Recht des Staates, in dem die Webseite abrufbar ist. Beim Markenrecht gilt das Recht des Staates, in dem die Marke Schutz beansprucht und im unlauteren Wettbewerb gilt das Recht des Staates, auf dessen Markt sich die unlautere Handlung auswirkt. Das Werberecht gilt somit in dem Staat, in dem das Marketing ankommt.
Disclaimer: Die Geschichte am Anfang dieses Blogs und die Namen sind frei erfunden. Der Blog erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit über die Rechts- und Gesetzeslage. Bitte wende dich bei Fragen an den Anwalt deines Vertrauens
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