(Un)bewusste Entscheidungen
Mai 27, 2020
«Soziale Neurowissenschaften sind ein interdisziplinäres Feld, das sich mit den neurobiologischen Grundlagen vom Sozialverhalten befasst.»
Mit diesem Satz startet Dr. Lorena Gianotti in den Unterricht und ich komme bereits das erste Mal ins Schwitzen. Der dunkle Nebel verflüchtigt sich ein wenig, als wir uns mit den Zielen der Sozialen Neurowissenschaft beschäftigen:
Auf der einen Seite haben messbare Entscheidungen (ökonomisches Verhalten) und auf der anderen Seite haben wir die Umwelt (Reize). Ziel der sozialen Neurowissenschaft ist es herauszufinden, weshalb der Mensch seine Entscheidung so getroffen hat.
Eine bekannte Methode, um Antworten auf unsere Fragen zu erhalten ist, die Menschen mittels Fragebögen zu befragen. Doch das reicht nicht, um die «Black Box» zu verstehen. Die Ergebnisse sind verzerrt, da die Antworten oftmals subjektiv ausfallen (was wir sagen, entspricht nicht immer dem, was wir denken).
Ab 5 Jahren fangen wir an, uns mit unserer Reputation auseinander zu setzten. Kinder verhalten sich grosszügiger, wenn sie merken, dass ihnen jemand zuschaut. Mit Hilfe von Hirnmessungen erhalten wir nützliche Informationen frei von Manipulation.
Unser Hirn reift bis zum 20. Lebensjahr und nimmt dann wieder ab. Eine Studie der Uni Zürich belegt, dass der präfrontale Kortex nicht nur bei Entscheidungen, welche Selbstkontrolle erfordern, aktiv erhöht ist, sondern generell bei der Entscheidungsfindung. Die Ergebnisse könnten für die Förderung von Entscheidungskompetenzen in schwierigen Situationen nützlich sein.
Mittels unterschiedlichster Methoden können unsere Hirnaktivitäten nachgewiesen werden:
Nehmen wir dafür ein einfaches Beispiel aus der intertemporalen Entscheidungsfindung:
Bei der intertemporalen Entscheidung muss eine Wahl zwischen zwei Optionen getroffen werden, die zu unterschiedlichen Zeiten auftreten. Das Ausmass des Abwertens zukünftiger Belohnungen erlaubt Rückschlüsse auf die Impulsivität und Selbstkontrollkompetenz einer Person:
Beispiel: Nutzen/Lust auf Frühstück, nimmt mit der Zeit ab.
Durch die Bestimmung der negativen Steigung der Kurve können Rückschlüsse auf die Impulsivität einer Person gemacht werden. Ein weiteres bekanntes Beispiel ist der Marshmallow Test (Igniter Media).
Wenn Versuchspersonen impulsive Entscheidungen treffen, dann waren die roten Hirnareale (Belohnungssystem) aktiver. Wenn die Entscheidung rational erfolgt, dann war eine höhere Aktivität im Kontrollareal (Blau) vorhanden.
TMS ist eine Technologie, bei der mit Hilfe starker Magnetfelder Bereiche des Gehirns sowohl stimuliert als auch gehemmt werden können. Die TMS-Methode erlaubt eine vorübergehende, räumlich definierte Modulation der neuralen Aktivität im kortikalen Gewebe. Es kann somit untersucht werden, ob bestimmte Areale auch funktional an einer bestimmten kognitiven Aufgabe beteiligt sind.
Folgendes Experiment zeigt den Einfluss der TMS-Impulse auf das Verhalten der Probanden:
Phase 1: TMS erkennbar im Verhalten / Nach der Pause: Normal
Personen, die stimuliert wurden, wählen häufiger die kleinere aber sofortiger Belohnung – sie sind impulsiver als die Placebo-Gruppe. Eine Verschlechterung der Fähigkeit zur Selbstkontrolle, führt zu impulsiven Entscheidungen. Dies könnte erklären, weshalb Jugendliche oft schlechter auf unmittelbare Belohnungen verzichten können.
Hormone sind Botenstoffe, die in Drüsen gebildet werden und über den Blutkreislauf jede Körperzelle erreichen.
Der Mensch produziert ca. 50 verschiedene Hormone. Diese koordinieren Entwicklung, Körperfunktionen und das Verhalten. Nach der Ausschüttung der Hormone, werden diese über den Blutfluss zu den Organen transportiert. Unser Gehirn produziert je nach Kontext mal mehr oder weniger des jeweiligen Botenstoffes. Hormone können oral, nasal, dermal, intravenös, sublingual oder intrathekal verabreicht werden.
Oxytocin und Testosteron sind wichtige Hormone, welche das sozialverhalten beeinflussen – beide Hormone können einfach online bestellt werden.
Oxytocin ist ein im Gehirn produziertes Hormon, welches nicht nur das Verhalten zwischen Mutter und Kind sowie zwischen Geschlechtspartnern, sondern auch ganz allgemein soziale Interaktionen fördert.
Luststeigerung
Eine Studie der Prärimaus und Bergmaus (zwei Arten von Wühlmäusen), biologisch fast identisch, unterscheiden sich jedoch stark im Sexual- und Sozialverhalten, zeigt, dass die Einnahme von Oxytocin eine signifikante Veränderung des Verhaltens herbeiführt.
Stärkung des Vertrauens
In der neurochemischen Forschung wird Oxytocin beim Menschen mit psychischen Zuständen wie Liebe, Vertrauen und Ruhe in Zusammenhang gebracht. Diese Annahmen beruhen auf Experimenten, wo Probanden ein Investorenspiel mit echten Geldgewinnen durchführen, wobei bei einem Teil der Testpersonen durch ein Nasenspray ein erhöhter Oxytocinspiegel erzeugt wurde. Es zeigte sich, dass die Personen mit einem erhöhten Oxytocinspiegel mehr Vertrauen ihren Spielpartnern gegenüber an den Tag legten.
Power-Posing (Veränderung der Körperposition) verleiht einem das Gefühl stark zu sein und Macht zu haben. Eine weitere Studie belegt, dass durch das Power-Posing die Risikobereitschaft der Probanden verändert werden kann.
Durch die Verabreichung von Hormonen können signifikante Verhaltensänderungen festgestellt werden.
Einhaltung sozialer Normen – Wer hält sich unter welchen Bedingungen an die Fairnessnorm? Soziale Normen sind keine Verbote! Aber: Je grösser die Wahrscheinlichkeit einer Strafandrohung, desto höher die Fairness und Gerechtigkeitsnorm
Das «Ultimatum Game» differenziert 3 Typen.
In verschiedenen Variationen des Spiels wird untersucht, in welchem Mass der Mensch nur den sich aus dem Spielgegenstand ergebenden Nutzen maximiert und in welchem Maß der Mensch bei seinen Entscheidungen auch andere Interessen mit einbezieht. Beispiele für zu berücksichtigende andere Interessen sind die Pflege von Spielregeln, die ihm oder der Gemeinschaft nutzen, und kulturelle Gepflogenheiten wie der Sinn für Gerechtigkeit, sowie das Wirken des eigenen Persönlichkeitsbilds auf Mitspieler und Beobachter.
Diese drei Personen unterscheiden sich im rechten TPJ Hirnareal (entscheidend für die Empathie). Wenn dieser Teil vom Hirn nicht mehr funktioniert, ist unsere soziale Fähigkeit gleich null (es lebe die Anarchie).
Bei den blauen ist dieser Teil sehr stark ausgeprägt, sie sind sehr empathische Menschen. Es schmerzt mein Gegenüber, wenn ich nicht ehrlich bin und verursacht Ungerechtigkeit.
Die Selbst- und Impulskontrolle unterscheidet die Roten von den Grünen.
Auch bei angedrohten Sanktionen ist die Kontrolle des ersten Impulses schwer durchführbar.
Die roten werden pro sozial, weil sie schlau sind und Angst haben, dass der andere sie bestrafen könnte. Obwohl sie sich im sicheren Hafen befinden, findet eine Verhaltensänderung statt, um somit einer Bestrafung zu entgehen.
Die Aktivierung des Belohnungssystems im Hirn beeinflusst meine Stimmung und Kaufentscheidung.
Wir müssen unser Zielgruppenverständnis stärken, um die Hintergründe für Entscheidungen besser verstehen zu können (Wie ist meine Zielgruppe/Circle gesteuert? Sind sie eher an einem kurz- oder langfristigen Nutzen interessiert?)
Im Gegensatz zu soziodemografischen Merkmalen, ist das Verhalten besser fassbar (Wie können wir künftig das Verhalten der Zielgruppe steuern, damit ein positiver Nutzen für das Unternehmen und unser Produkt entsteht? Wie können wir die Risikobereitschaft erhöhen? Was ist ethisch vertretbar und wo setzten wir Grenzen? Was für Mechanismen setzten wir ein und wie adaptieren wir diese auf unsere Customer Journey? Ist unsere Zielgruppe eher impulsiv oder rational – Süssigkeiten an der Migros Kasse lassen grüssen)
Wie können wir die Stimmung bei Kaufentscheiden positiv beeinflussen? (Licht, Duft, Platzierung, Botschaft, etc.)
In der Produktentwicklung werden diese Methoden bereits sehr stark eingesetzt, in Europa haben sie jedoch noch einen geringen Stellenwert. Oder wissen wir einfach nichts davon?
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