“Räuber und Poli” im Netz
Februar 25, 2016
Aus dem Unterricht des CAS Digital Risk Management zu den Themen Cyberbedrohung, Übersicht Behörden / Organisationen Schweiz und Schutz kritischer Infrastrukturen mit Tobias Bolliger berichtet Nadine Traber-Burkhardt:
Heute erhalten wir die Informationen zu Prävention und Bekämpfung von Cyberrisiken und Cyberangriffen von vorderster Front, nämlich von Tobias A. Bolliger, Kommissariatsleiter der Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität KOBIK beim Bundesamt für Polizei fedpol.
Die steigende Zahl vernetzter Informations- und Kommunikationseinrichtungen macht das Funktionieren der Schweiz als Gesamtsystem immer abhängiger von Sicherheitsvorkehrungen. Die Cyberangriffe haben sehr unterschiedliche Täterkreise und Motive, vom Einzeltäter über die politisch motivierte Aktivistin bis zu gefährlichen Spionage-, Betrugs- und Erpressungsabsichten.
Täter sind nicht auf reine Informationsbeschaffung aus, sondern wollen Staaten, Dienste und Unternehmen empfindlich treffen. Tobias Bolliger empfiehlt uns, die auf Europol einsehbare Studie von Project 2020 Scenarios for the Future of Cybercrime zu lesen. Quintessenz: Wir sind total abhängig von diesen Systemen. Sollten die Prognosen 2020 eintreffen, würden sie sich verheerend auswirken.
Massenangriffe/Einzeltäter bilden die unterste Ebene der Pyramide. Diese Bedrohung muss vor allem wegen der hohen Menge an Vorkommnissen ernst genommen werden. Auf dieser Stufe wird an den Verstand der Endbenutzerin und an interne Schulungen in Unternehmen appelliert.
Gezielte Angriffe von Cyberkriminellen und Cyberaktivisten sind auf mittlerer Ebene der Pyramide eingestuft. Hier werden wir gebeten, möglichst viele präventive Massnahmen und unser Wissen in den Unternehmen einzusetzen. Die richtigen Cyberaktivisten sehen das Internet als schützenswertes Gut. Anonymous ist grundsätzlich gut, aber diejenigen, die kein Statement mehr machen und sich als Vandalen im Netz bewegen, sind nur darauf bedacht, Anarchie zu verbreiten.
Ein echter Krimi erzählt uns Tobias bezüglich eines CEO-Fraud: Eine normale Täuschung hat letzte Woche bei einem Unternehmen in Nordeuropa eine Schadensumme von über 65 Mio. Euro verursacht. Mittlerweile sind solche Vorfälle nicht mehr aussergewöhnlich. Das KOBIK kooperiert auf dieser mittleren Ebene der Pyramide mit Europol und Interpol und verschiedenen Organisationen.
Oftmals ergibt sich ein fliessender Übergang zu der obersten Ebene, den APT, den sogenannten „Advanced Persistent Threats“, bei denen Angreifer mit viel Ressourcen, Wissen und Geld hohen Schaden in Organisationen oder Staaten anrichten. Sie sind beharrlich und nisten sich möglichst lange im Netz ihrer Opfer ein – so, wie es die Benennung „persistent“ aussagt. Der Bund kann APT nicht angreifen und Staaten strafbarer Handlungen beschuldigen. Die APT zeigen der Welt: „Ich bin die Macht, ich beherrsche die Welt“.
Das Bundesnetz wird täglich angegriffen. Es ist ersichtlich, wo es infiziert wurde, und gewisse APT wird man nicht mehr los. Faktisch muss man damit umgehen, als interessantes Ziel dem Risiko ausgesetzt zu sein.
Stuxnet-Malware ist ein Beispiel dafür, dass solche Angriffe nicht in der Garage gebastelt werden. Hochversierte Täterschaften greifen an und Staaten stehen dahinter. Auch den Chinesen, die im Bundesnetz surfen, rausgekickt werden und immer wieder angreifen, ist der Bund ausgeliefert. Sich so gut wie möglich dagegen zu schützen ist die einzige Option.
Der Adrenalinspiegel steigt und wir erhalten detaillierte Beschreibungen über Motive und Eigenheiten zu der Klassifizierung von Angreifern:
Was kann man gegen solche Angriffe tun? Wissen, was zu schützen ist! Oft redet man lediglich vom technischen Schutz. Tobias Bolliger erwähnt immer wieder und explizit die menschliche Komponente als grösste Schwachstelle und nennt die Wichtigkeit, sich ständig für einfache Benutzerregeln stark zu machen und unbedingt Sicherheitsprozesse zu gewährleisten.
Dank der Zusammenarbeit mit Switch kann ohne weiteres in solche Prozesse eingegriffen werden und man kann im Sinne des Kundendienstes wirken. Als Beispiel wird ein fehlerhaftes Skript einer Gemeinde erwähnt, wovon man selbstverständlich nicht polizeilich einfährt, wo man jedoch Einfallslücken schliesst und Infektionsgefahren beseitigt. In zahlreichen anderen Fällen und mit dem Einwand von KOBIK kann Switch mit dem Domainhalter Kontakt aufnehmen und Fristen setzen, folglich erlässt KOBIK die Verfügung und kann die Strafverfolgung aufnehmen. Bei akuter Gefahr wird es allerdings notwendig, eine Domain sofort vom Netz zu nehmen.
Tobias Bolliger erklärt, dass die Schweiz im positiven Sinne ein schlechtes Ziel ist, weil es für Angreifer enorm schwierig geworden ist, einzudringen. Grundsätzlich will KOBIK nicht wissen, wie Informationen in Erfahrung gebracht werden, sondern es benötigt die Informationen.
MELANI ist die Anlaufstelle für die breite Bevölkerung und unsere Wirtschaft und ist dem Informatiksteuerungsorgan ISB beim EFD und VBS (NDB) angegliedert. MELANI hat die Verpflichtung, den geschlossenen Kundenkreis (Schutz der zehn kritischen Infrastruktur- mit insgesamt 28 Teilsektoren) zu bedienen und steht dem offenen Kundenkreis mit Anleitungen, Meldeformularen und Lernprogrammen zur Verfügung, die aktive Benutzung wird erwünscht.
Der Bund kann nur subsidiär zuständig sein. Die Verantwortung haben die Betriebe. Es ist Sache der Unternehmen, die Risiko- und Bedrohungsanalysen zum Schutz des Kerngeschäfts zu erstellen. MELANI ist die Informationsstelle aus nationalen und internationalen Quellen. KOBIK kommt bei verdeckten Ermittlungen und Monitoring mit IP-Adressen nicht mehr weiter, sie müssen sich zunehmend im Darknet bewegen.
Weiter geht es mit Erläuterungen zur Nationalen Strategie zum Schutz der Schweiz vor Cyberrisiken NCS, die 16 Massnahmen enthält.
Seit kurzem ist Swiss Cyber Experts als Verein operativ, als eine PPP (Public Private Partnership) aus Wirtschaft und Forschung konstituiert, die dank gebündeltem Wissen im Falle schwerer Cyberübergriffe eine Diagnose liefern kann.
Das Know-how und die Ressourcen der Firmen werden genutzt, wenn MELANI nicht mehr weiterkommt.
Die Klasse braucht nun einen Security-Break….
Mit grosser Begeisterung informiert uns Tobias über seine Kernaufgabe, die Phänomenanalyse und Strafverfolgung.
Um was geht es konkret und wie funktioniert es? Wenn eine Straftat verübt wird oder wurde, ist es Aufgabe der Polizei/KOBIK und der Staatsanwaltschaft, das Verbrechen aufzuklären.
Straftaten, die mit IKT/ICT verübt werden oder Schwachstellen ausnutzen:
Wenn bei Prozessen keine Verhaltensregeln bestehen, können auch noch so sichere Systeme die Risiken nicht verhindern.
Die Mittel der Polizei sind eingeschränkt, darum muss die Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft gut funktionieren. Auf Bundesebene kooperieren Bundeskriminalpolizei (mit KOBIK) und die Bundesanwaltschaft. Das Interpol-Europol-Netzwerk ist von hoher Bedeutung, weil anlässlich einer Zwangsmassnahme hunderte von Servern gleichzeitig abgestellt werden, damit sich diese nicht wieder “Peer to Peer” aufbauen.
Im Jahr 2015 sind 11‘000 Meldungen eingegangen, davon wurden zirka 300 Fälle den Kantonen zugewiesen.
Wir erhalten auch einige Insights über aktive Recherchen (Monitoring), P2P-Scan (Überwachung diverser P2P-Netzwerke, die zu 95 % mit Hausdurchsuchung einhergehen) und verdeckte Ermittlungen in Chats, Foren und Darknet.
Zu guter Letzt kommen wir in den Genuss von einigen Schilderungen zu Modus Operandi 1 bis 3:
Die Rechtshilfe ist in der Schweiz seit 1. Januar 2012 in Kraft.
Die Cybercrime-Konvention strebt folgende Ziele an:
Die wichtigsten Neuerungen betreffen die Rechtshilfe:
So kann das KOBIK eine IP-Adresse direkt über den Polizeiweg erhalten, die Ermittlungen können demnach aufgenommen werden, vorausgesetzt, es wird für den Beweis das Vehikel der Rechtshilfe benutzt.
Wir schliessen den informativen und spannenden Tag ab mit dem Grundsatz: NUR DIE GEMEINSCHAFTLICHE BEKÄMPFUNG KANN VON NUTZEN SEIN!
Unser Newsletter liefert dir brandaktuelle News, Insights aus unseren Studiengängen, inspirierende Tech- & Business-Events und spannende Job- und Projektausschreibungen, die die digitale Welt bewegen.