Plädoyer für die gläserne digitale Identität
Februar 19, 2020
Aus dem Unterricht «Cybersecurity, digitale Identität und Ethik» von Peter Gassmann am CAS Digital Ethics berichtet Andreas Burren.
Dass Plattformen wie Facebook, Google, Amazon und weitere unsere Aktivitäten im Internet aufzeichnen, ist eine Binsenwahrheit und darf uns nicht mehr überraschen. Dass damit unsere digitalen Identitäten aus weit mehr Daten bestehen, als und bewusst und lieb ist, sollte aber unsere Neugier und Skepsis wecken.
Während die Daten des Hauptprodukts unserer digitalen Identität wie beispielsweise Username, Passwort oder das Geschlecht, aktiv im Userprofil erfasst und gepflegt werden können, besteht bei weiterführenden Attributen weitgehende Intransparenz.
Diese weiterführenden Attribute bestehen einerseits aus den gesammelten Daten unserer Aktivitäten auf der entsprechenden Plattform (und möglicherweise auch von weiteren assoziierten Plattformen). Andererseits dienen diese Tracking-Daten dazu, die digitale Identität mit mehr oder weniger sinnvollen Interpretationen anzureichern und in Cluster zu überführt.
Für die Benutzer der Plattformen werden in der Regel weder diese maschinell angereicherten Attribute noch deren Entstehung transparent gemacht. Zwar bietet zum Beispiel Facebook die Möglichkeit, die vergangenen Aktivtäten anzeigen zu lassen. Der Weg zu diesen Informationen ist jedoch nicht intuitiv und nur per Zufall auf Anhieb auffindbar. Weiter fehlt die Möglichkeit, unmittelbar die entsprechende Privacy-Einstellung einer Kategorie zu verändern. Der Verfasser unterstellt Absicht.
Der eigentliche Kritikpunkt dieses Plädoyers liegt jedoch in der weitgehenden Intransparenz über jene zusätzlichen Attribute, welche algorithmisch der digitalen Identität hinzugefügt wurden. Darüber hinaus ist es von ebenso grossem Interesse, aufgrund welcher Aktivitäten welche Interpretationen erfolgt sind und das Benutzerprofil ergänzen. Transparenz über den Prozess und die Ergebnisse dieser Manipulation ist das eine; ein entscheidender Schritt in Richtung Emanzipation der Benutzer wäre erst getan durch das Zulassen eines aktiven und bewussten Anpassens dieser Attribute.
Die fehlende Transparenz über das gesamte Daten-Set sowie über die Logik dessen Entstehens darf aus ethischer Sicht kritisch beurteilt werden.
Der Gegenentwurf besteht aus der vollständige Transparenz über die digitale Identität in seiner Gesamtheit und deren Beeinflussung in Richtung der aktuellen Lebenssituation und dem unmittelbaren Kontext des Identitätsinhabers. Die Realisierung dieses Denkmodell würde nicht nur den Benutzern, sondern auch den Plattformbetreibern entscheidenden Nutzen bringen.
Die Nutzer erlangen Kontrolle und damit Vertrauen in die Funktionsweise der Datenverarbeitung auf der Plattform. Zudem steigt die Relevanz von Inhalten und Werbebotschaften, da das digitale Profil geschärft und dem tatsächlichen (oder dem gewünschten) Profil angenähert werden kann.
Die Plattformbetreiber profitieren von einem besseren Image, einer längeren Verweildauen sowie von höherer Aufmerksamkeit gegenüber Werbebotschaften. Es kann davon ausgegangen werden, dass auch die Qualität der Benutzerprofile steigt und damit die Plattform für Werbetreibende zusätzlich an Attraktivität gewinnt.
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