Institute for Digital Business

Im Wald der Ideen

Januar 3, 2023

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Von der Studienreise in den USA im Programm EMBA Digital Leadership (Studienleiter Manuel P. Nappo) mit Brandon Karch, David Homa, Timothy Miano, Peter Gloor, Mary L. Grey, Nathan Freitas, Bruce Schneier, Sandra Cortesi, Gosia Reiniak, Christian Busch und Hamid Rashid berichtet Martin Koch:

Die Expedition

Für unsere ganz persönliche Entdeckungsreise haben wir unsere 7 Sachen daheim gelassen und unsere Koffer mit dem Motto «Making Better Decisions in a Digital Context» gepackt.

Bereits im Februar durften wir an Schweizer Innovationszentren inspirierende Einblicke erhalten, welche die Rahmenbedingungen für Innovationen fördern. Neben Innovation Switzerland waren wir damals u.a. zu Gast an ETH, EPFL, CERN sowie IBM Research Lab – hier geht’s zum Bericht.

Im Oktober 2022 führt unsere Expedition nach Cambridge, Boston und New York. Wir beginnen bei Swissnex in Boston und sind in Cambridge zu Gast am MIT und der Harvard University sowie am Berkman Klein Center. In Boston lernen wir SOSO Ltd. kennen. In New York erhalten wir Einblicke im TED New York Head Quarter und bei Microsoft und erleben einen spannenden Panel bei Swissnex New York. Wir besuchen auch die Cornell University, die New York University sowie die Vereinten Nationen.

Quelle: DALL-E 2

DALL-E2: «forest of ideas with a group of people in digital art style»

Dieser intensive Reiseplan durch den «Wald der Ideen» brauchte viel Vorbereitung, eine gute Reiseleitung und den richtigen Start.
Komm’ mit und finde heraus, was diese Entdeckungsreise mit Kollisionen, einem Kompass und einem Haken zu tun hat!

(Disclaimer: über die ganze Walderkundung gäbe es weit mehr zu erzählen – in diesem Blog wird ein Fokus auf wenige ausgewählte Wegpunkte gesetzt, es waren bei weitem nicht alle Highlights)

Am Waldrand

Bevor wir in den Wald der Ideen eintauchen, hilft uns Brandon Karch von Swissnex das besondere Ökosystem in Boston und Cambridge zu verstehen. Sein Credo «get connected» weist uns an, dass es nicht darum geht, in diesem besonderen Wald einem Wanderweg zu folgen, sondern neue Pfade zu bahnen – aber nicht im Alleingang, sondern am Besten mit Ortskundigen. Man könnte sonst achtlos an besonderen Ideen vorbeigehen oder Innovationen verpassen. So ist das Knüpfen der richtigen Kontakte ein unverkennbar wichtiges Element für Innovationen. Das gezielte Verbinden von Menschen und Ideen geschieht bei Swissnex.

Mehr vom Wald sehen

Der ganz persönliche Weg durch diesen Wald wird vom anhaltenden Spiel aus Licht und Schatten begleitet. Ideen auf die zufällig Licht fiel, waren zum Beispiel das Penicillin durch das offen stehende Fenster (Flemming, Chain und Florey, 1928). Auch die Grundlage für die Herstellung von Autoreifen durch eine verkleckerte Masse auf heissem Herd (Goodyear und Hayward, 1839) zählt dazu. Oder der Riss einer Siliziumprobe, die bei Lichteinfall den Widerstand veränderte und daraufhin für die industrielle Fertigung von Photovoltaik den Weg bereitete (Ohl, Kelly und Brattain, 1940).

DALL-E2: «scatch of the petri dish with bacteria of fleming to discover penecellin»

Ist man in dunkleren Teilen dieses Waldes, stösst man auf gescheiterte Business Cases, unzählige Fehlversuche und Produkteinführungen ohne Absatz.
Im Unterschied zur ebenso bewaldeten Schweiz, versteht man in den USA diese frustrierenden Erfahrungen als Punkte auf einer Landkarte – wo man mal war und von dort aus weiterging – als Meilensteine. Weil es in diesem Wald keine Sackgassen gibt, hat man letztlich mehr vom Wald gesehen als andere.

Kollisionen im Wald

Bei unserer Walderkundung begegnen wir David Homa, Head of Research Accelerator an der Harvard Universität. Er wiederholt die wichtige Botschaft «get connected» und stellt uns das Institut «D^3» (d-cube) vor – eine Art «Baumhaus», ein geschützter Bereich, um Industriepartner mit den Harvard-Forschenden zu vernetzen. Gemeinsam führen sie Pilotversuche im Feld durch und gelangen so direkt zu nutzbaren Ergebnissen. Es werden Ideen und Menschen verbunden und gleichzeitig treffen sie in ihrem neuen Netzwerk auf weitere Ideen und Menschen.

Tiefer in den Wald

Wir gehen tiefer in den Wald hinein und erreichen das MIT Innovation Head Quarter (iHQ). Dort  stossen wir mit Timothy Miano zusammen. Er führt uns in den organisatorischen Aufbau und die Architektur des iHQ ein. Alles ist darauf ausgerichtet, Forschende, Studierende, StartUps und Industrie aufeinander treffen zu lassen. Wie Tannenzapfen, die ihre Samen im Wind verteilen, dürfen Ideen in interdisziplinären Werkstätten ausprobiert und materialisiert werden. Dabei zielt man, ähnlich wie am Cambridge Innovation Center (CIC) darauf ab, durch die schiere Menge an möglichen Kollisionen mit anderen Ideen und Kontakten die statistische Wahrscheinlichkeit für Innovationen zu begünstigen.

Dieses Prinzip haben wir auch bereits bei Switzerland-Innovation sowie in Lausanne (EPFL) und in Zürich (ETH, IBM Research) beobachten können. Das Eintreten einer zufälligen Kollision kann also nicht nur am CERN Idea Square oder im Large Hadron Collider LHC bestaunt werden. Durch einen belebten Austausch treffen sich Menschen mit ihren Ideen und es beginnen sich Forschungsschwerpunkte dort zu verbinden, wo die Disziplinen einander unterstützen. Manchmal verschmelzen sie zu besseren Lösungsansätzen oder kollidieren geradezu.

Was wäre eine Erkundungsreise ohne Kollision?

Algorithmus stösst auf «Human in the loop»

Die Arbeiten zweier Persönlichkeiten, die wir kennenlernen dürfen, sind dafür ein hervorragendes Beispiel. Am MIT Center for Collective Intelligence ist es Peter Gloor in seiner über 10-jährigen Forschung gelungen Vitalfunktionen und Gesichtserkennungsmerkmale digital zu erfassen und als Emotionen einzuordnen. Sogar die emotionale Interaktion mehrerer Menschen (z.B. im Team) wird berechnet und vorausgesagt. Durch diesen «Happimeter» soll die Team-Produktivität durch ein besseres emotionales Team-Matching sowie durch das Reflektieren des eigenen Verhaltens durch Darstellung eigener Verhaltensmuster motiviert werden. Dem entgegen steht die ethische Seite mit der Arbeit von Mary L. Grey als Senior Principal Researcher am Microsoft Research Lab in Boston. Sie bildet als international anerkannte Anthropologin ein erforderliches Gegengewicht zum technisch Machbaren. Auch sie schätzt die heute eingesetzte Computer-Intelligenz als starke Kompetenz bei repetitiven Aufgaben ein, sieht jedoch gleichzeitig den «Human in the Loop» – eine menschliche Begutachtung der vom Algorithmus vorgeschlagenen Entscheidungen. “There are boundries where benefit (e.g. increase of productivity) does not leverage personal exposure (e.g. thoughts, critical thinking)”.  (einen spannenden Podcast dazu hier)

Mary L. Grey betrachtet dabei nicht nur die Nutzerseite, sondern auch die, vielen Usern unbekannte Seite der «invisible workforce» in ihrem Buch «Ghost Work».

Ihre Aussage zur europäischen Datenschutzgrundverordnung als «such a holy grale» ist dann noch eine kleine Sensation, die uns im weiteren Waldbesuch nicht loslassen wird.

GDPR is such a holy grale

Kompass neu einstellen?

Bisher meinten wir uns im Wald der Ideen gut orientieren zu können. Wir kennen bereits die grellen Glühwürmchen der Kryptowährungen und die funkelnden Blockchain-Käfer im dunklen Wald. Und beim Thema Datenschutz nerven uns bei jeder europäischen Website die Cookie-Settings, die uns vor die Nase gehalten werden.

Was, wenn plötzlich unser Kompass eventuell neu auszurichten wäre? Am Berkman Klein Center treffen wir im Panel auf Nathan Freitas und Bruce Schneier. Sie sind weltweit vernetzte, international führende Wissenschaftler im Bereich Kryptographie und Computersicherheit. Beide empfehlen uns dringend die Blockchain als Transaktions-Logbuch aufgrund erheblicher technischer Sicherheitslücken zu überdenken. Auch wird von ihnen und Sandra Cortesi das Prinzip des selbstverantwortlichen Umgangs mit den eigenen persönlichen Daten hinterfragt. Neben dem gesetzlichen Schutz vor physischem Diebstahl und Missbrauch fehlte bislang eine Barriere für entfremdete und geographisch unlimitierte Nutzung unserer Daten.

Wieviele Schlösser braucht deine Tür? Da gibt es kein Gesetz!

Zwar hat in der Vergangenheit niemand eine Regulierung benötigt, um zu entscheiden, wie viele Schlösser die eigene Wohnungs- oder Haustür haben sollte. Jedoch ist aus ihrer Sicht die Europäische Regulierung per Datenschutzgrundverordnung ein, vielleicht sogar «der» wichtigste Meilenstein. Das Vorbild der EU bietet nun Raum, auch in den USA und in anderen Ländern Regelungen zu schaffen, die uns als Bürgern diesen Schutz bieten.

Das US-amerikanische Loblied dieser internationalen Koryphäen auf die europäische Pionierarbeit im Bereich Datenschutz sowie die technischen Sicherheitslücken im Bereich Blockchain wird uns auch in New York noch weiter begegnen.

Ist da ein Haken?

Es verwundert nicht, dass wir das Erfolgsmodell für Innovationen auch in New York wiederfinden. An der Universität von Cornell zeigt uns Gosia Reiniak wieder eine Vielzahl interdisziplinärer Arbeitsplätze und eine Gebäudearchitektur, ähnlich der des MIT iHQ.

Überrascht sind wir von Christian Busch an der New York University. Er hat die Botschaft «get connected» mit einer raffinierten Technik weiterentwickelt.

Oh, so ein Zufall !

Uns ist bereits die Magie der Wahrscheinlichkeit von Ideen oder Fehlversuchen begegnet. Im Kennenlernprozess zweier Menschen hilft die Hook-Technik, um die Wahrscheinlichkeit zum emotionalen Andocken zu erhöhen.

DALL-E2: «digital art of two fisher men standing, smiling, waiving, shows a big fishing hook»

Denn die simple Frage: “what do you do”, ermöglicht zum Beispiel: “Currently I am setting up a company in the education sector, recently started thinking about philosophy, but what I really enjoy is playing the piano.” – damit gibt uns die Person gleich drei Möglichkeiten, an denen wir einhaken können. «What a coincidence, I am playing the piano, too ! At least I am trying». Für die Hock-Technik müssen wir uns nur überlegen:

  • die eigene Position/Rolle
  • ein eigenes aktuelles Projekt / Engagement
  • die eigene Fasziniation / Hobby

Welches Gewicht die emotionale Verbindung zweier Gesprächspartner hat, verdeutlicht uns Hamid Rashid im Hauptquartier der Vereinten Nationen. Wieviele militärischen Konflikte in den Verhandlungsräumen der UNO vermieden werden, um beispielsweise Land- oder Seehandelswege zu schaffen, hängt weiterhin auch davon ab, wie schnell und wie gut zwei Menschen emotional andocken und miteinander in eine Vertrauensbeziehung kommen.

Einen Waldausflug?

Es ist ein Privileg für kurze Zeit an diesen vielen bedeutenden Wirkungsstätten Gast sein zu dürfen und mit den Menschen zu sprechen, die mit ihrer Forschung und ihren Ergebnissen Einfluss nehmen.

Die Akademia-Welt entwickelt sich – von Orten mit Infrastruktur zu Community-Knotenpunkten – von der Wissensvermittlung zum Wald der Ideen. Wo Menschen zusammentreffen, sich austauschen und gemeinsam täglich und in grosser Zahl Initiativen in Gang setzen.

Hat man sich erstmal mit einem Investitionsplan zum Waldrand aufgemacht, ist der Weg nicht allzu beschwerlich Partnerschaften zu bilden und Prototypen zu finanzieren. Ohnehin braucht es für gesellschaftlich nutzbare Forschung ab einem gewissen Punkt Pilotversuche und Feldstudien. Bisher sind bei der Erschliessung vor allem prominente Konzerne aktiv. Wann versuchen auch KMU einen Ausflug in den «Wald der Ideen»?

Was sagt DALL-E ?

Die Bilder in diesem Reisebericht hat DALL-E2 beigesteuert – wie denkt DALL-E eigentlich über den «Wald der Ideen»?

«A forest of ideas as a metaphora for an abundance of creative potential. It refers to a space of exploration where one can find the inspiration and resources necessary to cultivate an idea and bring it to life. The forest can be seen as a place of growth, nourishment and connection, where unique and diverse perspectives can be explored and shared. It is a place of refuge and refuge, a platform where creativity can be nurtured. It is also a place of discovery and innovation, where one can find new ways of looking at the world and coming up with creative solutions.»

Über uns

Wir sind 15 Studierende der Studiengruppe Executive Master of Business Administration (EMBA) in Digital Leadership an der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ).

Im Januar 2022 gestartet, berichten wir in regelmässigen Abständen bis zum Abschluss im August 2023 von Inhalten und persönlichen Eindrücken aus unseren Unterrichtsblöcken.

Für die Klasse schreiben: Lukas Arnet, Martin Koch, Ruedi Meier und Pascal Theiler

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