Institute for Digital Business

Digitale Innovation – für den Genuss oder für die Glückseligkeit?

August 24, 2021

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Folgender Beitrag wurde von Luis-Eduardo Ernst im Rahmen eines Leistungsnachweises des CAS Digital Ethics verfasst und enthält subjektive Färbungen. Bewertet wurde der Beitrag von Studiengangsleiterin Cornelia Diethelm und redigiert von der Redaktion des Institute for Digital Business.

Digitale Innovation

Die Digitalisierung stellt klassische ethische Konzepte vor neue Herausforderungen. In vielen Kontexten der Digitalisierung liefern sie jedoch nach wie vor wertvolle Sichtweisen. Wie hängen beispielsweise Immanuel Kants kategorischer Imperativ und Kundenzentrierung zusammen? Eine digitalethische Kurzreflexion über verantwortungsvolle digitale Innovation, Digitalisierung und das gute Leben.

Genuss war nach der antiken Lehre der Hedonie das höchste Gut – und hat wohl auch heute noch vielerorts eine hohe Bedeutung bei der Lebens- oder Freizeitgestaltung. Der Hedonismus ist allerdings auch bekannt als eine nach innen gerichtete kurzzeitige Suche nach Freuden und Befriedigung. Das Paradoxe an ihm ist, dass er langfristig gerade nicht glücklich macht. Die Gegenperspektive dazu heisst Eudaimonie. Für Aristoteles ist die Glückseligkeit (Eudaimonie) das höchste Gut, sie ist ein “nachhaltiges” seelisches Glück. Was hat nun diese Frage aus der antiken Philosophie mit Innovation oder Digitalisierung zu tun? Wir können uns beispielsweise fragen, auf welche dieser beiden Denkrichtungen der Grossteil der heutigen digitalen Innovationen einzahlt – Hedonie oder Eudaimonie? Und wie sähe denn eine wünschenswerte digitale Innovationen aus?

Kundenzentrierte Innovation und Kants Selbstzweckformel

Unternehmen geraten durch die sich rascher wandelnden Kundenbedürfnisse unter Innovationsdruck. Nutzer- oder kundenzentrierte Ansätze ermöglichen zwar als Antwort darauf schnellere Innovationszyklen, diese besitzen jedoch nur eine einseitige Perspektive auf das Wohlbefinden des Kunden und versuchen ihm eher durch den Konsum eines Guts einen „kurzfristigem Genuss“ zu ermöglichen („Hedonia“). Kundenzentrierung ist per se auch nicht als ethisch legitimes Werkzeug zu betrachten, zumal sie den Kunden (Menschen) als Mittel für ökonomische Ziele braucht. Sie ist nicht mit Kants Selbstzweckformel vereinbar:

„Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloss als Mittel brauchest.“

Von einem Zweck “zugleich” kann in der Regel nicht die Rede sein. Denn der Zweck liegt bei der Kundenzentrierung ja im wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens durch die Förderung des Konsums eines neuen Produkts.

Artefakte eines vorherrschenden Innovationsverständnisses

Ob Social Media, Gamification, Dark Patterns – schon alleine unser tägliches digitales  Umfeld zeigt zahlreiche Artefakte dieses hedonistischen konsumorientierten Innovationsverständnisses im digitalen Zeitalter. Sie fördert den kurzweiligen digitalen Konsum. In der technikverliebten digitalen Wirtschaft stehen persönliche  Selbstverwirklichung und unternehmerische Selbsterhaltung im Vordergrund. An diesen Silicon Valley-Idealen orientieren sich auch viele Innovationsverantwortliche von KMU und Grossunternehmen. Die Themen Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Verantwortung gewinnen zwar bei Unternehmen immer mehr an Bedeutung. Das ist aber noch nicht in deren Innovationsabteilungen angekommen.

Verantwortungsvolle digitale Innovation in der Praxis

Eine verantwortungsvolle Digitalisierung bedeutet nicht nur Nebenwirkungen und  Verletzungen von persönlichen Rechten durch Missbrauch oder Diskrimierung zu verhindern. Man sollte auch das gute Leben der Nutzer schon früh in der Produktentwicklung im Blick haben. Den Unternehmen, die mit Abstand am meisten zur volkswirtschaftlichen Innovationsleistung beitragen, fehlen jedoch noch klare methodische Konzepte und Rahmenwerke, um eine ethische Reflexion systematisch im betrieblichen Innovationsprozess zu institutionalisieren. Zugleich können solche Ansätze ihre Wirkung nur dann entfalten, wenn auch die Auffassung über eine ethische digitale Innovation entsprechend verankert ist. Dafür braucht es bei Innovator:innen eine Sensibilisierung für den Sinn der Heudaimonie und eine unternehmensweite wirtschaftsethische Schulung.

Was denken Sie? Welches Verständnis von Innovation und Digitalisierung hätten wohl Kant oder Aristoteles, wenn sie heute noch leben würden? Ich freue mich auf Ihre Meinung dazu.

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