Behavioral Economics – Der Mensch als Differenzierungsmöglichkeit
Mai 16, 2017
Aus dem Unterricht des CAS Digital Finance mit Andreas Staub berichtet Andreas Kamm:
Im Rahmen des Behavioral Economics erörtern wir die Differenzierungsmöglichkeiten von Retailbanken, den Einfluss von Kultur und anderen Faktoren, die wichtig sind, um Mitarbeiter für eine Veränderung gewinnen zu können, Verhaltensweisen von Individuen und wie sich Unternehmen diese zu Nutzen machen, veranschaulichen das SOR Modell und erörtern wichtige Aspekte zur erfolgreichen Umsetzung von Strategien in einer digitalen Welt.
Retailbanken können sich auch heute noch differenzieren, jedoch nicht über die Technik, sondern schwergewichtig über Menschen. Technik kann dabei helfen, Services schneller, besser und günstiger zu machen. Jedoch ist die Technik replizierbar, wodurch andere Anbieter die gleichen Services und Vorteile morgen auch anbieten können. Ergo besteht mit der Technik keine wirkliche, langfristige Differenzierung. Dies sieht bei Menschen anders aus, da Menschen einzigartig sind, d.h. nicht einfach kopiert werden können. Doch gilt es, Menschen (und Technik) gezielt da einzusetzen, wo Mehrwert und eine Differenzierung geschaffen werden kann. Menschen können Mehrwert schaffen, wenn es sich beim Kauf um einen High-Involvment-Kauf handelt. Diese Art von Kauf hat für das Individuum, d.h. für Kunden eine grosse Bedeutung, ist meistens mit höheren Risiken verbunden und entsprechend mit komlpexen Entscheidungsprozessen. Diese Prozesse brauchen viel Zeit und Energie. Menschen respektive Berater können bei solchen Entscheidungsprozessen Mehrwert liefern, indem sie individuell beraten und Kunden dabei helfen, die für sie richtigen Entscheidungen zu treffen. Technik kann dabei unterstützen, indem (Beratungs-) Prozesse effizient, zielgerichtet und ganzheitlich erfolgen. Alternativ zum High-Involvment-Kauf gibt es den Low-Involvment-Kauf, der in erster Linie bei Commodity zur Anwendung kommt, d.h. bei Produkten und Dienstleistungen, die für das Individuum wenig Bedeutung und wenige Risiken zur Folge haben. Hier kann die Technik entscheidende Vorteile bieten und dabei helfen, Prozesse möglichst kosteneffizient zu gestalten.
Doch wie können sich Unternehmen in diese differenzierende Richtung hin entwickeln? Während sich die Entwicklung der digitalen Welt exponentiell beschleunigt, verändert sich der Mensch nur sehr langsam. Dem muss insbesondere bei Veränderungen im Unternehmen, sei dies technisch oder organisatorisch bedingt, Rechnung getragen werden: “Culture eats Strategy for breakfast“. Es braucht nur etwa 20% der Menschen in einem Unternehmen, die eine Veränderung nicht mitmachen, und schon verpufft die Veränderung wirkungslos. Dabei ist die Führung gefordert. Damit Veränderungen nachhaltig und langfristig greifen, müssen Manager fokussiert verschiedene Massnahmen kombiniert einsetzen:
Eine nachhaltige, positive Verhaltensänderung erfolgt dabei aber primär über eine Veränderung der Kultur, doch ist diese langsam, komplex und unsicher in der Umsetzung. Manager müssen deshalb eine Unternehmenskultur schaffen, mit der sich Menschen identifizieren können und bereit sind zu kooperieren. Dies erfolgt nur über Vertrauen, das Teil der Unternehmenskultur sein muss. Und genau dieses Vertrauen ist auch das, was für Individuen wichtig ist im Kaufprozess.
Doch wie entscheiden Individuen? Individuen können einerseits intuitiv und impulsiv sowie andererseits rational und langsam entscheiden. Dabei sind Individuen nicht unbefangen und rational, wie die Verhaltensökonomik aufzeigt. Meistens ziehen Individuen eine schnelle, aber einfache Antwort einer langwierigen und aufwändigen Analyse vor.
Schnelle Antworten entstehen aufgrund von Heuristiken, wie zum Beispiel dem Einsatz von Referenzpunkten bei Preisen. Solche Heuristiken können aber auch gezielt ausgenutzt werden. Anchoring, asymetrische Dominanz und Default sind Methoden, die sich die Nachteile bei Heuristiken zum Nutzen machen. Bei Anchoring wird dabei gezielt ein viel höherer Referenzpreis (z.B. bei empfohlenen Spendenbeträgen) genannt, so dass das Ergebnis am Ende besser ausfällt. Bei assymetrischer Dominanz wird bei verschiedenen Optionen bewusst eine inferiore Option mit ähnlichem Preis eingefügt, damit eine gefühlt bessere Option gewählt wird. Bei der Default Option geht man bewusst davon aus, dass Individuen diese mehrheitlich nicht verändern. Wie kann man den Kaufprozess nun bewusst beeinflussen?
Hier hilft das SOR Modell. Über einen direkt beobachtbaren Stimulus (S) kann ein Individuum (Organismus – O) dazu aktiviert werden, eine Response (R) zu produzieren, die wiederum beobachtbar ist. Dabei gibt es beim Individuum aktivierende und kognitive Prozesse, Einstellungen und weitere, nicht beobachtbare Faktoren wie zum Beispiel Kultur, Status, Persönlichkeit. Bei der Produktgestaltung und -Vermarktung setzt man primär bei aktivierenden und kognitiven Prozessen an, um Individuen in innere Erregung und Spannung zu versetzen, welche ein gewünschtes, weitgehend nicht kontrollierbares Verhalten (Response) provoziert. Dabei können folgende Formen vorkommen:
Lösungsansätze
Was heisst das nun für die Positionierung von Banken? Primär müssen Banken versuchen, den Kunden ins Zentrum zu rücken und ganzheitlich zu verstehen. Zudem sollten möglichst die Prozesse und Dienstleistungen individualisiert gestaltet werden, die den Kunden wichtig sind und die für sie einen Mehrwert darstellen. Dabei sollten Banken insbesondere bei Vertrauen und Beziehung in der Beratung ansetzen. Hier gilt es darauf zu achten, dass eine Beratung nicht zur Commodity verkommt, sprich soweit standardisiert wird, dass der Mensch nicht mehr gebraucht wird. Der Mensch ist der Differenzierungsfaktor, für den Kunden eher Bereit sind, einen höheren Betrag zu bezahlen.
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