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“42% wären bereit, ihren Geruchssinn für Internetzugang einzutauschen.”

Februar 20, 2017

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Aus dem CAS Multichannel Management mit Dr. Sarah Genner bloggt Beat Bieri:

Zum heutigen Thema Medienpsychologie begrüssen wir Dr. Sarah Genner, Expertin für Digitalisierung der Arbeitswelt, seit 2010 im medienpsychologischen Forschungsteam der ZHAW und Autorin des soeben und passend zum Thema erschienen Buches “ON/OFF – Risks and Rewards of the Anytime-Anywhere Internet”.

Sarah verzichtet bewusst auf die Abgabe der Folien im Voraus, es soll nur das Wichtigste notiert werden, die Folien im Nachhinein heruntergeladen werden, der Lerneffekt sei dadurch grösser. Nun gut, I disagree but I commit

Den heutigen Morgen gliedert Sarah in 5 Bereiche:

  1. Mediensozialisation / Medien und Generationen
  2. Botschaft – Medium – Medieneffekte
  3. Online-User managen
  4. Technologie-Hypes und digitale Gräben
  5. Permanente Erreichbarkeit und Selbstmanagement

Als Einführung zeigt uns Sarah auf was u.a. heute auch als Medium bezeichnet werden kann:

  • mobile Daten
  • smarte Technologien
  • Big Data
  • IoT
  • Internet der Sensoren
  • Robotik

und macht uns auf die verschwimmenden Grenzen zwischen

  • online und offline
  • Mediennutzung und Medienproduktion
  • Massenmedien, Kommunikation und Daten
  • Mensch und Maschine

aufmerksam. Braucht es ein neues Menschenbild, wenn wir hypervernetzt sind? Eine berechtigte Frage, zumal bei einer Umfrage von 3000 Personen zwischen 18 und 50 in 15 verschiedenen Ländern Folgendes festgestellt wurde:

“42% wären bereit, ihren Geruchssinn für Internetzugang einzutauschen.”
(Connected World Technology Report, 2014)

1. Mediensozialisation / Medien und Generationen

Als Erstes macht uns Sarah mit verschiedenen Begriffen bekannt:

Digital Natives
Digital Natives haben das Internet im vollen Umfang in ihren Alltag integriert und bewegen sich mit grosser Souveränität und Selbstverständlichkeit in der digitalen Welt. Die Sphären online und offline verschmelzen in diesem Segment zunehmend.
Digital Immigrants
Digital Immigrants bewegen sich zwar regelmässig aber selektiv im Internet und stehen vielen Entwicklungen darin skeptisch gegenüber, insbesondere wenn es um die Themen Sicherheit und Datenschutz geht.
Digital Outsiders
Digital Outsiders sind vollkommen oder stark verunsichert im Umgang mit dem Internet und nutzen es deshalb so gut wie gar nicht.

Als Digital Natives werden oft diejenigen Personen bezeichnet die nach 1980, als Digital Immigrants Personen die vor 1980 geboren wurden. Ob eine Person digital native ist oder nicht wird jedoch durch verschiedene Faktoren beeinflusst und hängt nur unwesentlich vom Alter ab.

Danach werden wir aufgefordert in Gruppen über die Medien, resp. Mediennutzung  heute gegenüber unserer Kindheit zu diskutieren. Schnell entstehen in den Gruppen angeregte Diskussionen. Schnell wird klar, dass sich das Medien-Nutzungsverhalten massiv geändert hat. Einige interessante Statements aus den Gruppen:

“Als Jugendlicher waren wir stundenlang bei einem Kollegen zu Hause, da dieser der Einzige war, der Internet hatte.”
“Heute schaue ich TV und überprüfe mit dem Smartphone den Inhalt der im TV gemachten Aussagen.”
“Früher wurde nur bei Skirennen vor dem Fernseher gegessen.”
“Mit dem Golfkrieg wurde mir bewusst, dass man zu JEDER Zeit Nachrichten, sogar in Echtzeit, konsumieren kann.”

Zum Abschluss des ersten Teils zeigt uns Sarah einige interessante Aspekte der Entwicklung der Mediennutzung anhand der JAMES-Studie (Jugend – Aktivitäten – Medien – Erhebung – Schweiz) auf:

  • Die Wichtigkeit von non-medialen Ereignissen blieb über die Jahre konstant gleich hoch (Sport, Freunde treffen etc.).
  • Die Nutzung von Videogames ist sehr geschlechterspezifisch.
  • 94% der Schweizer Jugendlichen sind Mitglied bei einem Sozialen Netzwerk. 78% nutzen diese mind. einmal pro Woche über das Smartphone.
  • 2016 nutzt 81% der Schweizer Jugendlichen Instagram, 80% Snapchat, 62% Facebook – 2014 wurde noch Facebook mit Abstand am meisten genutzt.

2. Botschaft – Medium – Medieneffekte

Botschaft
Eine Botschaft kann auf verschiedene Weise gesendet und empfangen werden, dies wird mit Thuns Vier-Seiten-Modell aufgezeigt.

Medium
Durch die neuen Technologien ist der Begriff Medium nicht mehr klar einzuordnen, die Grenzen zwischen Kommunikation, Publikation und Rezeption werden verwischt. Es ist nicht mehr immer nachvollziehbar wer sendet und wer empfängt (Medienwandel). Oder wie Marshal McLuhan (bekannter Medientheoretiker) bereits gesagt hat:

“Die Botschaft ist das Medium” – “Das Medium ist die Botschaft”

Zudem interpretieren wir jede Botschaft von alleine, sei es durch das Medium (z.B. Blick vs. Handelszeitung) oder durch eigene Erfahrungen resp. Einstellungen oder Werte.

Was ist also ein Medium heute? Dank Mobile data, Smart devices, Big Data, IoT, Internet of Sensors oder auch Smartwatches kann diese Frage nicht mehr klar beantwortet werden. Die Kommunikation findet heute im Gegensatz zu früher im Eiltempo statt. Während Festnetz-Anschlüsse 125 Jahre benötigten bis sie sich durchsetzten, benötigten mobile Breitband-Abonnemente noch 5 Jahre. Wir kommunizieren also wesentlich schneller und massiv mehr, unterstützt durch Medienkonvergenz und Medien-Multitasking.

Ein Must-known zum Medienkonsum ist die 90-9-1 Regel:

  • 1 produziert den Inhalt (Creators)
  • 9 kommentieren (Contributers)
  • 90 konsumieren (Lurkers)

Die Möglichkeit (auch anonym) alles zu bewerten und kommentieren bringt aber nicht zwingend eine offene Diskussion und eine wahrheitsgetreue Berichtserstattung mit sich. Dafür hat sich der Begriff Schweigespirale etabliert. Wenn Medien nicht mit der eigenen Meinung übereinstimmen oder sich in eine andere Richtung entwickeln, wird geschwiegen.

Medien-Effekte
Es werden drei Medien-Effekte unterschieden:

  • Agenda-Setting: Die Macht, bestimmten Themen Aufmerksamkeit zu verschaffen
  • Priming: Die Öffentlichkeit auf bestimmte Meinungen zu Themen vorbereiten
  • Framing: Die Macht zu beeinflussen, wie bestimmte Ereignisse oder Themen interpretiert werden (heute auch bekannt als Alternative Facts;)

3. Online-User managen

In diesem Block widmeten wir uns als Erstes den Fragen:

  • Wozu von einem “dümmsten anzunehmenden User” (DAU) ausgehen?
  • Wie unterscheiden sich die AGB’s von Facebook und LinkedIn?

Vom DAU auszugehen bedeutet im Wesentlichen nichts anderes als in der Sprache/der Usability der Kunden, benutzerfreundlich zu sprechen. Dies führt direkt zur nächsten Frage wo sich die beiden AGB komplett unterscheiden. Während die AGB von Facebook undurchsichtig, nicht nachvollziehbar und nicht am DAU ausgerichtet sind, beschränken sich diejenigen von LinkedIn im Vergleich auf wenige verständliche Zeilen.

Der nächste Schwerpunkt ist “Enthemmung im Netz”. Während man bei einer face-to-face-Kommunikation neben dem verbalen auch über den paraverbalen (Stimmlage, Wortwahl) sowie den nonverbalen (Körpersprache) Kanal Informationen sendet, findet dies bei der Kommunikation im Netz ausschliesslich in der geschriebenen Sprache statt. Man spricht von einer Kanalreduktion. Die Kommunikation bringt darüber hinaus eine “Enthemmung durch Anonymität” mit sich.
Sie erhöht:

  • das Risiko für Aggressivität
  • die Verantwortungsdiffusion (keine Sanktionen zu erwarten)
  • das Nichtwahrnehmen der emotionalen Reaktion des Gegenübers (weniger Empathie)
  • das Agieren im Schutz der eigenen vier Wände (entwischen)

Der Antipode der Enthemmung ist die Netiquette – also Verhaltensregeln (Knigge) in der digitalen Welt, der Rahmen für konstruktive Online-Kommunikation.

4. Technologie-Hypes und digitale Gräben 

“We tend to overestimate the effect of a Technology in the short run and understimate it in the long run.”
(Roy Amara)

Neue Technologien werden jedes Jahr im Hype-Cycle von Gartner (www.garnter.com) dargestellt. Dabei wird aufgezeigt welche Phase die Technologie gerade durchläuft. Der Hype Cycle besteht aus 5 verschiedenen Phasen:

  • Technologischer Auslöser
  • Gipfel der überzogenen Erwartungen
  • Tal der Enttäuschungen
  • Pfad der Erleuchtung
  • Plateau der Produktivität

Auf Anwenderseite gilt es zu beachten, dass nicht alle auf der Welt dieselben Möglichkeiten haben und der Zugang zu modernen Medien, Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten unterschiedlich sein kann. Dies wird als “Digitaler Graben” bezeichnet.

5. Permanente Erreichbarkeit und Selbstmanagement

Die permanente Erreichbarkeit und die Möglichkeit jederzeit online zu sein (always on) birgt neben positiven Aspekten auch negative Aspekte und Gefahren mit sich:

  • Verkehrsunfälle
  • Schlafstörungen
  • Mangelnde Datensicherheit bzw. man gibt vieles von sich Preis
  • Burnout
  • Onlinesucht
  • Augenschäden
  • Tech Neck
  • Strahlung

Als Abschluss gibt uns Sarah neben verschiedenen Literaturvorschlägen Tipps zum Umgang mit ständigem Online-Zugang:

  • konsequenten E-Mail-Urlaub machen
  • kein Smartphone im Strassenverkehr
  • Nein sagen lernen
  • etc.

Herzlichen Dank für die interessante Morgenlektüre!

 

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